Bilder deiner großen Liebe
nach dem Roman von Wolfgang Herrndorf, Theaterfassung von Robert Koall
Wer den 2010 veröffentlichten und kürzlich von Fatih Akin verfilmten Roman Tschick gelesen hat, kann sich sicherlich auch an das barfüßige und geheimnisvolle Mädchen Isa erinnern, das das Freundespaar Maik und Tschick auf einer Mülldeponie treffen. Mit Isa essen sie Brombeeren, steigen auf den Gipfel eines hohen Berges und verabreden, sich dort in 50 Jahren wieder zu treffen. Isa ist die Hauptfigur in Wolfgang Herrndorfs letztem Roman Bilder deiner großen Liebe. „Tschick-Fortsetzung aus Isas Perspektive angefangen. Mach ich aber nicht. Mach ich nicht.“ heißt es in Wolfgang Herrndorfs Tagebuch Arbeit und Struktur. Die Handlung der beiden Romane kreuzt sich in der Begegnung der drei Jugendlichen.
Bilder deiner großen Liebe erzählt die Geschichte des verrückten, hellsichtigen Mädchens Isa. Ein „Roadmovie zu Fuß“ (Wolfgang Herrndorf). Sie bricht aus und beginnt eine Reise durch Wälder, Felder, Dörfer und an der Autobahn entlang. Eine romantische Wanderung durch Tage und Nächte. Isa begegnet den Menschen – freundlichen und rätselhaften, schlechten wie traurigen. Atemlos folgt man einer Heranwachsenden, die sich vorbehaltlos und unvorsichtig ins Leben schmeißt. Isa ist eine Über-dem-Abgrund- Schwebende in ihrer Verrücktheit, ihrer Radikalität und auch in ihrer Gefährdung. „Der Abgrund zerrt an mir. Aber ich bin stärker.“ Ihre Einsamkeit ist nicht die Einsamkeit des Verlassenseins, sondern eine existentielle Erfahrung. Deshalb ist sie auch kein bedauernswertes Opfer, sondern eine starke, junge Frau. Wolfgang Herrndorfs unvollendetes Fragment erinnert an Büchners Lenz: gestrickt nach dem Muster einer road novel ist es nicht nur die eigenwillige Geschichte eines vierzehnjährigen Mädchens, das barfuß durch die Welt stolpert. Es ist auch eine Tarnung, mit deren Hilfe Wolfgang Herrndorf vielleicht konsequenter denn je die Auf-sich-Zurückgeworfenheit und Brutalität von Leben im Angesicht des Todes erzählt hat.
ca 2h, keine Pause
Regie:
Jan Gehler
Bühne: Sabrina Rox
Kostüme: Cornelia Kahlert
Dramaturgie: Julia Weinreich (Dresden),
Anna Haas
Fotos: Conny Mirbach
Stuttgarter Premiere:
24. September 2016, Nord
Eine Übernahme aus dem Staatsschauspiel Dresden
Interview Jan Gehler zur Inszenierung zum Anhören: