An und Aus

von Roland Schimmelpfennig
Schauspielhaus
Dauer – ca. 1:25 Std, keine Pause
Stuttgarter Premiere
Sa – 25. Sep 21
Ein kleines Hotel am Hafen. Jeden Montag treffen sich hier Frau Z. und Herr A., Frau A. und Herr Y., Frau Y. und Herr Z. Drei Paare, die sich untereinander betrügen, ohne zu wissen, dass im Zimmer nebenan der eigene Mann, die eigene Frau mit einer anderen, einem anderen im Bett liegt. Denn das Hotel betreten sie immer nacheinander. Vielleicht passen sie so aber auch besser zueinander? Der junge Mann mit der Brille, der im Hotel arbeitet, kennt alle Gäste und ihre heimlichen Treffen. Auch er ist verliebt. Aber das Mädchen, das er liebt, arbeitet oben auf dem Berg und kann dort nicht weg. Plötzlich ein kurzes Flackern − Licht aus, Licht an. Ein Moment der Irritation, irgendetwas stimmt nicht. Auf einmal hat Frau Z. zwei Köpfe und Herrn A. fehlt der Mund. Das Herz von Herrn Y. brennt, während Frau A. versteinert. Das Mädchen fährt mit dem Fahrrad durch die Nacht und sucht nach dem Jungen. Was sich im Hotel und draußen abspielt, wird zu einer surrealen Bilderwelt vergrößert. Nichts bleibt, wie es ist.



An und Aus entstand als Auftragsarbeit für das New National Theatre in Tokyo und verarbeitet die Eindrücke der ersten Japanreise des Autors, aber auch seine Empfindungen zur Nuklearkatastrophe von Fukushima. Zuletzt kam am Schauspiel Stuttgart 100 Songs in der Regie von Roland Schimmelpfennig im Kammertheater zur Deutschsprachigen Erstaufführung.
Inszenierung
Bühne
Choreographische Mitarbeit
Jean-Laurent Sasportes
Licht
Nicole Berry
Dramaturgie

Pressestimmen

Stuttgarter Zeitung
Nicole Golombek, 27. Sep 21
"Regisseur Burkhard C. Kosminski und dem Bühnenbildner Florian Etti ist es doch gelungen, die Schwächen von "An und Aus" durch konzentriertes Spiel des Ensembles und eine klug verspielte Bühne zu kaschieren und den Abend immer wieder zum Schweben zu bringen. Mit Slapstick, mit Pling-Pling-Klaviermusik, lakonisch dargeboten von Anne-Marie Lux, mit Schattenspielen vor den bühnenfüllenden Papierwänden, die sich auch eignen, um mit den Händen darauf zu trommeln und Regengeräusche zu imitieren."

"Die Tragik vertanen, erloschenen Lebens scheint … auf, wenn Sebastian Röhrle ein melancholisches Lied singt und liebevoll auf seine Frau (Katharina Hauter) schaut, mit der er sonst kaum spricht. Und Evgenia Dodina gelingt es eindrücklich, ihrer Figur so viel Lebenslust zu verleihen, so viel Freude an der Schönheit ihres Liebhabers – und so viel Entsetzen darüber, dass sie plötzlich gealtert und unbeweglich ist, dass man ahnt, was sich an katastrophaler Grässlichkeit ereignet."

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Südwest Presse
Otto Paul Burkhardt, 27. Sep 21
"Schimmelpfennig jongliert mit Kontrasten, verbindet schwere Themen mit schwebeleichter Sprache, balanciert zwischen Düsternis und Slapstick, switcht vom Realen ins Surreale. Zugegeben, manches schrammt am Edelkitsch vorbei …. Dennoch, "An und Aus" kommt ohne pompösen Weltermahnungs-Gestus aus, verwebt stattdessen private Ödnis und große apokalyptische Ereignisse ineinander. Die Figuren nehmen in Alpträumen die Folgen der Katastrophe vorweg.

Kosminskis behutsame, ideenreiche Regie schafft eine bizarre Atmosphäre. Papierbahnen rauschen wie das Meer, zur Lovestory zwischen Biene und Wal erklingen Debussy-Arabesken. So, dass die reale Bedrohung fast allzu poetisch schöngeredet wird. Zum Ausgleich lässt die Regie schwarzen Fallout-Schnee vom Himmel rieseln und schließt mit endzeitlichem Donner."

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Heilbronner Stimme
Claudia Ihlefeld, 29. Sep 21
"Umso charmanter gerät dennoch das Spiel des Ensembles auf der bezaubernden Bühne (Florian Etti), die mit einfachen Mitteln Fantasieräume schafft."

"Die bizarren Mutationen ihrer Körper bleiben für die anderen unsichtbar, wie auch die Folgen einer Nuklearkatastrophe nicht unmittelbar sichtbar sind. Eine feine Metapher, wie insgesamt der Abend von Anspielungen, Slapsticks, dem klimpernden Klavierspiel vom Mädchen mit dem Fahrrad (Anne-Marie Lux) lebt. Und von mit lakonischer Selbstvergessenheit vorgetragenen Reflexionen der Figuren. Berührend, mit welch ungläubigem Entsetzen Dodina als lebenshungrige Frau A. ihren abrupten Alterungsprozess wahrnimmt. Während sanft der atomare Fallout auf die Bühne rieselt."

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Die Deutsche Bühne
Manfred Jahnke, 26. Sep 21
"Was wie eine Moritat beginnt und in der Inszenierung von Burkhard C. Kosminski am Schauspiel Stuttgart manchmal auch slapstickhafte Züge annimmt und sich zu einer Farce über drei Paare zu entwickeln scheint, wendet sich immer mehr ins Tragische. Und das hat mit dem Datum zu tun: Es ist der Tag, als ein Tsunami das Atomkraftwerk in Fukushima unter Wasser setzte."

"Schimmelpfennig liebt die Mächtigkeit von Sprachbildern. … Die Mischung von Boulevard und großen gesellschaftlichen Themen beherrscht der Autor meisterhaft."

"Schon bald aber werden beide Wände eingerissen, zerknüllt. Geschickt spielt die Regie auch mit den akustischen Signalen, die dem Material eigen sind. Florian Etti, der die Szenerie geschaffen hat, und Kosminski machen das gekonnt.“"

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Kultura extra
Thomas Rothschild, 26. Sep 21
"Der bewundernswert produktive Autor [Roland Schimmelpfennig] sprudelt über von Themen, Einfällen und bühnenwirksamen Umsetzungen. Er ist modern, ohne zu wabern und zu raunen. Er hat Witz, ohne auf oberflächliche Pointen zu setzen. Er hat einen Theaterverstand, wie nur wenige deutschsprachige Dramatiker*innen unserer Tage, ohne ausgetretenen Pfaden zu folgen."

"Dieses Stück mit seiner epischen Zeitform und seiner lyrischen Bildwelt im Schatten von Christian Morgenstern und Jacques Prévert, das nur indirekt von Fukushima handelt, … funktioniert fünf Jahre nach seiner Deutschen Erstaufführung immer noch. Nicht zuletzt der minimalistische Bühnenbildeinfall von Florian Etti – die Details von den Darstellern auf riesige Papierwände skizzieren zu lassen, die später herabgerissen und zerknüllt werden – übt seine Wirkung aus."

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Südkurier
Siegmund Kopitzki, 29. Sep 21
"Schimmelpfennig treibt seine boulevardesken Figuren ins Surreale und greift dabei auch auf Motive aus der Romantik zurück – kaltes Herz, Liebesschmerz usw. Er arbeitet mit klassischen komödiantischen Elementen, aber wer hier lacht, lacht sich tot. Der Dramatiker bietet keine simplen Deutungsmuster, darin folgt ihm Kosminski in seiner sorgsam dem Text zugewandten Inszenierung, in der das Schwere bisweilen doch so (poetisch) leicht daherkommt."
Ludwigsburger Kreiszeitung
Arnim Bauer, 28. Sep 21
"Kosminski schafft es, aus dem eher aus Fragmenten bestehenden Text auf leise Art ein mitnehmendes Bühnenspektakel zu machen. Dezent, manchmal bewusst zögerlich fügt er die Sprünge zwischen den Erzählebenen zu einem Ganzen zusammen, seine spielfreudige Truppe trifft genau den Ton, um zwischen Surrealismus und Fantasie im Kopf des Zuschauers eigene Bilder entstehen zu lassen. Und auch das Bühnenbild von Florian Etti, das in Anspielungen an japanische Elemente mit sehr viel Papier arbeitet, gibt in seiner Variabilität und seiner Einfachheit den richtigen Rahmen. Kommt noch eine gelungene Beleuchtung hinzu und auch die dezente Klaviermusik von Hans Platzgumer trägt ihren Teil dazu bei, dass diese Inszenierung gelingt."

"ein[] sehr schöne[r] und ambitionierte[r] Theaterabend"

"An und Aus" Trailer