Das Imperium des Schönen (UA)

von Nis-Momme Stockmann
Kammertheater
Dauer - ca. 2:10 Std.
Wiederaufnahme
Spielzeit 19/20

Zwei ungleiche Brüder – erfolgreicher Intellektueller der eine, Lebenskünstler der andere – reisen mit ihren Partnerinnen nach Japan. Vier unterschiedliche Lebensentwürfe prallen aufeinander, und wieder einmal zeigt sich, dass der Kampf um das eigene Wertesystem im Privaten mit der gleichen Unbarmherzigkeit ausgetragen wird wie im globalen Maßstab. Die Konfrontation mit einer fremden Kultur, die mit ganz eigenen sozialen Codes funktioniert, wirkt als Brandbeschleuniger. Die Situation eskaliert, Weltbilder geraten auf den Prüfstand – am Ende liegen alle Gewissheiten in Scherben. 
Die unbeschadete Koexistenz zweier Parallelwirklichkeiten ist so alt wie das Sprechen an sich. In der jüngsten Vergangenheit ist diese geradezu paradigmatisch für das gesellschaftliche Plateau des frühen 21. Jahrhunderts geworden, "alternative Fakten" heißt das Schlagwort der Stunde. Gibt es sie noch, die Wahrheit?
Nis-Momme Stockmanns Text entsteht als Auftragswerk für die Frankfurter Positionen, ein seit 2001 bestehendes interdisziplinäres Uraufführungsfestival, das sich als Forschungslabor zu aktuellen Themen der Zeit versteht. Heute steht die Frage nach den Grenzen der Verständigung im Zentrum. Erschweren das Erstarken politischer und religiöser Fundamentalismen und die Zunahme autoritärer Denkmuster die Kommunikation, weil die Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet? Gibt es noch ein "Wir", das miteinander spricht?

Ein Werkauftrag für die Frankfurter Positionen 2019 – Festival für neue Werke.
Eine Initiative der BHF BANK Stiftung.

Uraufführung: Do – 31. Jan 19
Inszenierung und Raum
Kostüme
Natalie Soroko
Dramaturgie

Pressestimmen

Süddeutsche Zeitung
Jürgen Berger, 03. Feb 19
"[Nis-Momme Stockmann] meldet … sich mit einem ausgefeilten Konversationsstück zurück und überrascht insofern, als "Das Imperium des Schönen" stilistisch weit von dem entfernt ist, was er zu Beginn seiner Karriere geschrieben hat. Das ist kein Textflächen-Stück, sondern der dialogischen Schreibkunst einer Yasmina Reza verpflichtet. Und den Familienausflug in die Fremde einer vom Shintoismus, dem Zen-Buddhismus und Konfuzianismus geprägten Kultur kann man auch als Reflexion über die Sollbruchstellen der deutschen Gesellschaft lesen, in der Schichten und Milieus sich immer fremder gegenüberstehen. Diesen kühlen Text der starken Emotionen sollte man genau so spielen, wie er da steht."

"Tina Lanik ist innerhalb kurzer Zeit eine pure und schlüssige Inszenierung gelungen."

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Stuttgarter Zeitung
Mirko Weber, 02. Feb 19
"Nina Siewert spielt diese Maja in den zentralen Dialogen mit Falk zunächst als Katze auf dem Sprung, dann mit Löwenmut und schließlich mit der Coolness einer Frau, die mehr als das Spiel gewonnen hat, wer wen an die Wand reden kann. ... Obwohl anfangs fast zu reinen Sprechautomaten degradiert, schlagen sich ausnahmslos alle Schauspieler ausgezeichnet innerhalb dieser Partitur zwischen Pein und Poesie...."

"Kurzum: Hier haben wir ein Stück in oft atemlosem, glänzendem Neudeutsch, virtuos gebaut wie eine große Sonate mit allerhand Scherzi, Tiefgang und Tempo. Es ist, alles in allem, ein Stück über uns, [und] stellt mehr Fragen als es Antworten hat…."

Frankfurter Rundschau
Judith von Sternburg, 9. Feb 19
"Nis-Momme Stockmann hat ein ausgezeichnetes Gespür für missglückende Kommunikation, für die permanenten Missverständnisse und Manipulatiönchen und für die Gereiztheit gerade unter der glatten, so genannten kultivierten Oberfläche."

"… Lanik und das Ensemble [finden] eine Bewegungssprache, die die Komplexheit des gesprochenen Wortes virtuos in kleinen Unregelmäßigkeiten und Verzwirbelungen spiegelt."

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Die deutsche Bühne
Manfred Jahnke, 01. Feb 19
"Stockmann ist da eine merkwürdige Melange aus naturalistischen, symbolischen und performativen Momenten gelungen. Die beiden Kinder der Familie Falk, in der Stuttgarter Uraufführung in Akademikerkostümen (Kostüme: Natalie Soroko) und langen blonden Zöpfen gespielt, sind mehr als Kinder: Sie beobachten aus einer verfremdenden Distanz das Geschehen, sie werden nicht nur zu Beobachtern, sondern auch zu Kommentatoren der Handlungen. Tina Lanik betont das noch in ihrer Regie. Lautmalerisch verstärken Daniel Fleischmann und Marielle Layher die Spielsituationen der Erwachsenen, legen sich leidend neben sie – wie Boten aus einer anderen Welt. Sie sind zugleich Chiffre und real. Genau in diesem Changieren findet die Inszenierung, die sich als abstraktes Denkspiel strukturiert, den Zugang."
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Stuttgarter Nachrichten
Nicole Golombek, 01. Feb 19
„Nicht genug zu loben indes ist Lanik dafür, dass sie dem Publikum ausführliche theoretische Passagen zu Gehör bringt: Vorträge über Zen-Buddhismus, Oberfläche und Tiefe, Sinnsuche und Ambivalenz, europäische und asiatische Denkmuster. Derlei Texte werden für gewöhnlich von Dramaturgen und Regisseuren getilgt, die dem Publikum nicht viel zutrauen. Dass sie in Zeiten, in denen große Stoffe und Themen gern auf TV-Serienniveau heruntergebrochen werden, zur Sprache kommen dürfen, wirkt geradezu revolutionär.“

"Tina Lanik gelingt es zudem, zwei weitere Figuren extrem gut ins Spiel zu bringen: Ignatz und Ismael .... Sie treten als erschreckend gebildete, ernsthafte zwillingshaft gleich gekleidete und frisierte Kinder auf und sprechen nicht nur amüsante Anmerkungen des Autors... Mit Blicken und Tönen, Schreien und Rufen, mit Polonaisen und absurd witzigen Aktionen kommentieren die jungen Schauspieler die Streitereien über Oberflächlichkeit und Tiefe, zeigen, wie peinlich, ja kindisch sich die Erwachsenen benehmen. In ihrer Ungerührtheit sind sie hochkomisch. Neben der politischen Korrektheit der Alten macht die Jugend den Abend dann doch absolut sehenswert."

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Deutschlandfunk, Kultur heute
Christian Gampert, 01. Feb 19
"Stockmann gelingt es … mit seiner Dialogführung, die Figuren glaubwürdig und alltagsnah zu gestalten, bis hinein in die eine finale Eskalation, Abreise, Trennung. … Es hängt alles an den sechs Schauspielern, und die dürfen sich manchmal sehr ungehemmt austoben, sind aber allesamt großartig... . Auf die lange Dauer schafft es [die Aufführung], die Double-Binds und vielen Widersprüche der Figuren schmerzhaft sichtbar zu machen, die Konflikt-Verleugnung, das falsche Theoretisieren."
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SWR2
Karin Gramling, Feb 19
"Neben den grundsätzlichen Fragen, was das Dasein ausmacht, regt das Stück in jedem Fall dazu an, die eigenen familiären Verstrickungen mal wieder genauer unter die Lupe zu nehmen. So ist "Das Imperium des Schönen" ein insgesamt unterhaltsamer Theaterabend mit ausreichend Tiefgang, Witz und Ironie und schnellen Dialogen mit Knalleffekt."
Badisches Tagblatt
Christiane Lenhardt, 03. Jun 19
"Es ist ein perfektes Reisestück: mit kleinem Gepäck, aber pointiertem Inhalt. Das Schauspiel Stuttgart hat Nis-Momme Stockmanns bissiges Familiendrama "Das Imperium des Schönen" bei den Theatertagen in Baden-Baden als Gastspiel-Knüller gezeigt."

"Stockmanns Gesellschaftsstück glänzt mit Dialogwitz und zielt ins Herz der Unzulänglichkeiten. Vor allem zwischen den zentralen Kontrahenten steigert sich das Spiel zu einem brillanten Schlagabtausch…"

Frankfurter Neue Presse
Marcus Hladek, 8. Feb 19
"Wunderbar, wie Tina Laniks Inszenierung Falks Frontalvortrag, ein langes Wortungetüm, als Nichts in die Mitte setzt und doch mit [Marco] Massafras Hilfe die Spannung wahrt. Zu danke ist auch das dem Autor…"
Offenbach-Post
Stefan Michalzik, 9. Feb 19
"So kommt es in erster Linie zum rhetorisch brillant spitzfindig-aggressiven, intellektuellen Schlagabtausch zwischen Falk und Maja, die auf Augenhöhe Paroli zu bieten vermag. … Laniks bis auf zwei seitliche Stuhlreihen leerer schwarzer Raum ist der Präsentierteller für eine fast schon comicstriphaft überzeichnete, bei allem Humor indes in keinem Moment ins Alberne getriebene Szenenfolge. … Das ist eine sehr amüsante Theaterarbeit, mitnichten verliert sie sich in einer wohlgefälligen Überdrehtheit. Ein ausgezeichneter Text, der sich tatsächlich als "Drama" klassifizieren lässt. … die leichtfüßige wie formbewusste Inszenierung von "Das Imperium des Schönen" ist es allemal wert, angesehen zu werden."
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Eßlinger Zeitung
Martin Mezger, 02. Feb 19
"Maja ist eben nicht das Dummchen vom Bäckereitresen, das den devoten Blick zur professoralen Autorität hebt, sondern eher ein akademisches U-Boot, das sie torpediert. Nina Siewert spielt das absolut überzeugend..."

"Wirklich klug ... ist Laniks Regie, indem sie die beiden Söhne – ein androgynes Duo, grandios gespielt von den Nachwuchsschauspielern Marielle Layher und Daniel Fleischmann – zu den Drahtziehern des Geschehens macht: zwei schreckliche Streber-Monster im jungmatrosenhaften Internatsdress, böse Kraft-durch-Freude-Buben mit sadistischer Lust am zerstörten Leben der Anderen."

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Südwestpresse
Otto Paul Burkhardt, 02. Feb 19
"Wie da Bildungs-Fassaden zerbröseln, erinnert an Yasmina Rezas Erfolgsstück "Der Gott des Gemetzels". Doch Tina Lanik will keinen Realismus: Sie verfremdet punktuell durch choreografische Einlagen. Die Kinder Falks sind bei ihr altkluge Reiseführer, die mit rabiaten Regiekommandos das Geschehen vorantreiben. Und natürlich grundiert Stockmann seinen Text subtil mit Debatten um eine neue Klassengesellschaft und mit fernöstlichem Denken… das Stück [bietet] etwas nicht Alltägliches: unterhaltsame Dialoge, nicht ohne Witz und Tiefgang."
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Heilbronner Stimme
Claudia Ihlefeld, 02. Feb 19
"Tempo, messerscharf sezierenden Dialoge, die Ping-Pong-Bällen gleich hin- und herfliegen, der hyperventilierende Humor und die Personenkonstellation erinnern an eine Konversationskomödie von Yasmina Reza...."

"Stockmann geht es weniger um die eindeutige Personenzeichnung, vielmehr will er die Erwartungshaltung der Zuschauer unterlaufen. Stockmann spitzt Figuren zu, Sinnfragen und Klischees. ... Dass dies alles so amüsant rüberkommt im gemäßigten Zeitgeistjargon – „wohl so ein Sozialisationsding“ –, ist auch das Verdienst eines konzentriert-aufgeweckten Ensembles, das die Statements und Thesen heraushaut wie ein Dumm-Dumm-Geschoss."

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Kulturblog
Rainer Zerbst, 03. Feb 19
"Stockmanns Stück ist auf dieser Ebene eine nicht selten sarkastische Enthüllungskomödie. Alle Figuren zeigen von Minute zu Minute immer deutlicher ihr wahres Ich. … Stockmanns Stück ist aber neben dieser privaten Seite hochpolitisch. Es führt soziale Positionen vor, wirft die Frage nach dem Geld auf, das die Welt regiert (bzw. in diesem Fall die Urlaubsreise aller aus Falks Tasche finanziert). Es stellt in Frage, inwieweit ein Mensch andere dominieren, manipulieren, gar unterwerfen darf, selbst wenn er meint, nur ihr Gutes im Sinn zu haben. Und Stockmann führt in diesen Dialogen vor, wie Konversation zum kaum verhüllten Streit, ja Krieg wird. Sprache ist hier Entlarvungsmedium ebenso wie Sprengkraft, anstatt zu Aufklärung und besserem Verständnis zu führen."
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Kultura extra
Thomas Rothschild, 01. Feb 19
"Die Stücke von Nis-Momme Stockmann sind ein starkes Argument gegen die denk- und recherchierfaule Behauptung, heute würden keine Dramen mehr geschrieben, die eine Aufführung lohnten. (Die Einladungen zum heurigen THEATERTREFFEN scheinen diese Auffassung belegen zu wollen.) "Das Imperium des Schönen" verführt zunächst dazu, nach dem Gegensatz von Gut und Böse, von Richtig und Falsch zu fahnden. Bei genauerer Betrachtung überlässt es das Stück dem Zuschauer, sich für und gegen Standpunkte zu entscheiden, die der Dialog formuliert. Darin liegt seine Stärke."
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Ludwigsburger Kreiszeitung
Arnim Bauer, 02. Feb 19
"Fast schon im Stile Yasmina Rezas wird der Zerfall des selbst erbauten Imperiums von Falk seziert, bis zum bitteren Ende. Ein durchaus spannendes Konzept, ein interessantes Thema in einer fetzigen Atmosphäre. Tina Lanik ... sorgt dafür, dass die Figuren ein klares Profil haben und die Schauspieler sich auch gut entfalten können. Sie nutzen auch diese Gelegenheit, das neue Stuttgarter Ensemble zu profilieren, besonders Nina Siewert als Maja und Marco Massafra als Falk zeigen in den tragenden Rollen, dass man sich weiterhin sehr über dieses frische, junge Ensemble freuen kann."