Maria Stuart

von Friedrich Schiller
Schauspielhaus
Dauer – ca. 2:45 Std, eine Pause
Premiere
Sa – 14. Mai 22
Seit fast zwanzig Jahren ist Maria Stuart, Queen of Scots, Gefangene der englischen Königin Elisabeth. Nach einem tödlichen Attentat auf ihren Ehemann war die schottische Königin zur Flucht zu ihren Verwandten nach England gezwungen. Aus Angst, dass Maria ihren Anspruch auf den englischen Thron erheben könnte, ließ Elisabeth sie jedoch prompt auf Schloss Fotheringhay einsperren. Elisabeth, die Virgin Queen, steht unter Druck. Ihr Volk drängt sie zur Heirat und verlangt die Hinrichtung Marias. Auch ihre Berater nötigen sie, nach Jahren des Zögerns endlich zu handeln – Lord Burleigh fordert eine schnelle Hochzeit zum Wohl des Staates, der alte Talbot eine Begnadigung Marias. Graf Leicester indessen spekuliert selbst auf eine Heirat mit Elisabeth und pocht auf ein Treffen der beiden Königinnen. Während Elisabeth von allen Richtungen vereinnahmt wird, plant der junge Mortimer auf Fotheringhay die gewaltsame Befreiung Maria Stuarts und treibt so die Geschichte ihrem unweigerlich blutigen Ende entgegen.
Mit seinem Drama über die zwei großen englischen Königinnen zeigt Friedrich Schiller das Individuum im Spannungsfeld zwischen religiöser Moral, Sinnlichkeit und Staatsraison. Die bei den Herrscherinnen Maria und Elisabeth werden nicht von eigenem Hass geleitet, sondern von ihrem Umfeld zu Rivalinnen gemacht. Es entsteht das Bild einer Gesellschaft, das Frauen gegeneinander ausspielt und das fatale Narrativ vorantreibt, dass es an der Spitze nur eine geben kann.
Inszenierung
Bühne, Kostüm & Video
Sounddesign
George Dennis
Lichtdesign
Jack Knowles
Dramaturgie

Pressestimmen

Stuttgarter Zeitung
Nicole Golombek, 16. Mai 22
Diese Elisabeth, die Josefine Köhler fulminant als angespannt ungeduldige, zwischen Ratio und Leidenschaft schwankende Regentin interpretiert, ist eine Frau, eine Politikerin, eine Managerin von heute. Das muss man erst einmal hinbekommen, dass einem die herrschsüchtige Königin so nah und sympathisch ist wie die unterdrückte Rivalin.

[Talke] inszeniert das 1800 uraufgeführte, plausibel gestrichene Drama texttreu (bis in die Regieanweisungen), psychologisch stringent. Ein hochdramatisches Kammerspiel.

Der rasche Schlagabtausch, die hasserfüllten Blicke der Frauen, das hat Thrillerqualität.

Regie und Ensemble konzentrierten sich auf die Figurenkonstellationen und die Macht des kraftvollen Schillertextes. Es hätte Videoeinspielungen von Straßendemos gar nicht gebraucht; auch so gelingt es, den Bezug zum Hier und Heute, zu amtierenden Staatsschefs und Chefinnen deutlich zu machen. Und zu zeigen, welche fatalen Folgen Machthunger gepaart mit Verantwortungslosigkeit haben. Auf der Bühne ist dies das Ergebnis – eine zweieinhalbstündige spannende Polit-Studie mit einem großartigen Ensemble.

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Esslinger Zeitung
Elisabeth Maier, 16. Mai 22
Das Duell der Königinnen trifft mitten ins Herz. … In Michael Talkes Stuttgarter Inszenierung … dürfen die Monarchinnen mehr Menschen als Vorbilder sein. Hinter der Fassade gnadenloser Machtpolitik legt Talke die menschlichen Beweggründe der Frauen offen, die einander nicht nur mit harten Worten bekriegen. Mit Videos von Straßenkämpfen und schauspielerischen Grenzgängen zeigt der Regisseur die Aktualität des Klassikers. Gewiss ist das eine Schocktherapie. Die Filmbilder erinnern nicht nur an den blutigen Krieg in der Ukraine. Sie offenbaren die Risse in der Gesellschaft, die sich europaweit in Straßenschlachten und Kämpfen entladen.

Diesen Kampf der religiösen und politischen Ideen zeigen Katharina Hauter als Maria und Josephine Köhler als Elisabeth I. grandios. Dabei machen sich die beiden Schauspielerinnen frei von Friedrich Schillers Pathos – ohne dabei die Sprachkraft der Tragödie zu reduzieren. George Dennis zitiert in seinem Sounddesign sakrale Musik und zeitgenössische Klänge. Das steigert die Spannung in der packenden Regiearbeit.

Vor allem die Rollenstudien der Königinnen sind es, die überzeugen. Radikal dringt Katharina Hauter als sinnliche Maria zu den starken Gefühlen ihrer Figur vor, die ihre Leidenschaft über die Pflichten der Herrscherin stellt. ... Elisabeth I. ist in Josephine Köhlers großartiger Interpretation eine Frau, die buchstäblich ihren Mann stehen muss. ... Wunderschön legt Josephine Köhler dieses Dilemma in ihrem Monolog offen: „Oh Sklaverei des Volksdiensts! Schmähliche Knechtschaft...“ Aus Worten und Blicken spricht so viel Schmerz, dass die ganze Tragik der klugen Königin spürbar wird.

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Südwest Presse
Otto Paul Burkhardt, 17. Mai 22
Die Regie zeigt die beiden als machtbewusste Frauen, die als Projektionsflächen scharf unter Beobachtung stehen. Katharina Hauters herbe, bigotte Maria trägt schwarze Stiefel, Josephine Köhlers resolute Elisabeth blaue Pumps. Beide werden ambivalent gezeigt – berechnend und schutzlos zugleich. Talke zeigt auch ein Drama über Männer, die sich als Lenker, Gönner oder gar Lover der Königinnen aufspielen, sich aber meist als Opportunisten, Schleimer oder Blutrichter entpuppen.

Regisseur Michael Talke gelingt mit solidem Ensemble ein Achtungserfolg: Schiller ohne Gedöns, teils ergänzt durch Filme über Unruhen, teils vertieft durch surreale Einblicke. Zeitlos aktuell.

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SWR2
Karin Gramling, 16. Mai 22
Das Schauspiel Stuttgart zeigt, wie aktuell Friedrich Schillers „Maria Stuart“ noch heute ist. Am Beispiel der schottischen Königin Maria Stuart und der englischen Königin Elisabeth geht es darum, welchen Zwängen und welchem Druck Frauen in Machtpositionen ausgesetzt sind. Doch wie schmutzig das politische Geschäft ist, das ist die stärkere Botschaft des Stückes. Täuschen, intrigieren, anderen die Schuld in die Schuhe schieben, das gehört auch heute noch zum politischen Geschäft – egal ob Frau oder Mann.

Grandios grimmig schaut Josephine Köhler als Elisabeth dabei ins Publikum. Mit enormer Bühnenpräsenz verkörpert sie die berechnende Herrscherin, die sich um ihre Position sorgt.

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Nachtkritik
Verena Großkreutz, 15. Mai 22
Aktuell ist Schillers Königinnendrama „Maria Stuart“ von 1800 nach wie vor: Zeigt es doch das unbedingte Ringen um den Machterhalt. Regisseur Michael Talke holt es in die heutige Zeit – mit Straßenkämpfen, Höllenschlundklängen und Schockeffekten.

Sie geht auf ihren blauen Stilettos so sicher, als wären es Arbeitsstiefel. Josephine Köhler spielt Elisabeth mit böse blitzenden Augen, immer bereit zur giftigen Attacke. Ihr ständig sich einmischendes männliches Berater-Rudel hat sie meist fest im Griff. Schwächen? Darf sie gelegentlich äußerlich zeigen, wenn sie plakativ in gebeugter Körperhaltung ausharrt, als laste zu viel politisches Geschäft auf ihren Schultern.

Ziemlich knallig und witzig inszeniert ist dagegen Mortimer, der Maria-Retter in spe, den Jannik Mühlenweg – in bonbonfarbenem Anzug – als wendigen, zur religiösen Ekstase neigenden, übergriffigen jungen Mann spielt, der schon vor seinem Suizid mit der Pistole herumfuchtelt.

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Online Merker
Alexander Walther, 15. Mai 22
Wie sehr Elisabeth hier unter Druck steht, macht Josephine Köhler ausgezeichnet deutlich. … Katharina Hauter spielt Maria Stuart als kompromisslose Rebellin, die ihre grausame Gefangenschaft von Anfang an in packender Weise deutlich macht. Sie hetzt atemlos von Zimmer zu Zimmer, hält sich verzweifelt an den Gitterstäben fest. Es gelingt Michael Talke in seiner subtilen Inszenierung, die sich zuspitzende, elektrisierende Dramatik selbst im Zeitlupen-Tempo festzuhalten. Keine Minute wird hier verschenkt. … Dank des souveränen Spiels von Josephine Köhler und Katharina Hauter entfaltet sich hier ein wildes Feuer im Dialog.

Josephine Köhler verdeutlicht als Elisabeth in drastischer Weise, wie sehr sie trotz der Unterzeichnung des Todesurteils die Verantwortung für die Hinrichtung Maria Stuarts von sich schiebt. Elisabeths fieberhafte Ungewissheit hat man selten so grell beleuchtet gesehen wie hier. Katharina Hauter macht spürbar, wie Maria ihren psychischen Verfall nicht mehr aufhalten kann. Gleichzeitig unterstreicht sie bei ihrer Darstellung, wie schwer es Maria fällt, sich vor Elisabeth zu demütigen.

Die Inszenierung von Michael Talke überzeugt aufgrund ihrer szenischen Glaubwürdigkeit. … Und die Schauspieler brillieren immer wieder mit fließendem jambischen Rhythmus. So gab es Premierenjubel und viel Applaus auch für das Regieteam.

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