Offene Zweierbeziehung
Schauspielhaus
Dauer – ca. 1:30 Std., keine Pause
Premiere
Sa – 28. Okt 23
Sa – 28. Okt 23
Ein Mann und eine Frau. Einst liebten sie sich vielleicht, doch davon ist nur wenig geblieben. So weit nichts Neues. Um sich aus dem Trott zu befreien, beschließen sie, ihre Beziehung zu öffnen. Vielmehr öffnet er, und sie zieht mit – oder versucht es zumindest. Während er ihr täglich neue Kandidatinnen präsentiert, fällt es ihr schwerer, einen Liebhaber zu finden. Die Anforderungen an Frauen auf dem Datingmarkt sind leider Gottes ungleich höher. Zudem fehlt ihr das aufrichtige Interesse, tatsächlich einen neuen Partner zu finden. Ihre Strategie: emotionale Erpressung in Form einer Reihe kreativer Selbstmordversuche, die das alte Feuer des Ehemanns wieder auflodern lassen sollen. Wo einmal Liebe war, scheint inzwischen allerdings nur noch Achtung zu sein. Als sie dann einen jungen, gut aussehenden Professor kennenlernt, steht ihr Mann wiederum kurz vor dem Selbstmord. Die Beziehung liegt offen und mit ihr all die Gefälle und Ungleichgewichte, die Grenzen von Treue und Eifersucht, die Freiheiten, die man sich nimmt und die, die man bereit ist zu geben.
In der gefeierten Tragikomödie aus dem Jahre 1983 macht das italienische Autor*innenduo Dario Fo und Franca Rame das Publikum zu Anwälten im Aushandlungsprozess einer scheiternden Partnerschaft. Scharf pointiert führt dieses Werk auch in Zeiten der fluiden Beziehungsmodelle und des Onlinedatings die Scheinheiligkeiten und Widersprüche der bürgerlichen Zweisamkeit vor.
In der gefeierten Tragikomödie aus dem Jahre 1983 macht das italienische Autor*innenduo Dario Fo und Franca Rame das Publikum zu Anwälten im Aushandlungsprozess einer scheiternden Partnerschaft. Scharf pointiert führt dieses Werk auch in Zeiten der fluiden Beziehungsmodelle und des Onlinedatings die Scheinheiligkeiten und Widersprüche der bürgerlichen Zweisamkeit vor.
Inszenierung / Bühne
Kostüme
Licht
Dramaturgie
(Es ist) lustig zuzuschauen, wie sich Mann und Frau das Leben schwermachen, immer wieder aus der Rolle fallen, das Publikum als Kampfrichter ihres Geschlechterkampfs entweder mit Eis oder mit Sekt bestechen wollen. Das Timing stimmt, die Pointen sitzen …
Dörr und Biedermann harmonieren prächtig, wie sie sich umtänzeln, aufeinander sitzen, aufeinander schießen, zwischen die Beine treten, feixen, wenn der andere leidet, Krokodilstränen weinen.
Der neunzigminütige Abend hat etwas von einem Komödienklassiker mit Rock Hudson und Doris Day. Es ist das große Verdienst von Regie und Ensemble, dass jede Pointe funktioniert, jeder verbale und körperliche Treffer sitzt – großartiges Theater, wenn man mal weniger zum Denken aufgelegt ist und einfach nur Spaß haben will.
Zur vollständigen Kritik
Der Burgtheater-erfahrene Andreas Kriegenburg (Regie und Bühne) versucht gar nicht erst, am Text herumzufrickeln. Nur wenige zeitbedingte Details fallen raus. Hin und wieder wird improvisiert. Das macht den Text geschmeidiger, holt ihn aus der Szenehumor-Ecke ins staatstheatertaugliche Heute.
Glänzend Therese Dörr: Wie sie Antonias Kampf um Selbstachtung verkörpert – Komik und Horror immer dicht beieinander. … Gábor Biedermann spielt den „Mann“, der als namenloser Vertreter einer selbstherrlichen Spezies auftritt – progressives Vokabular, doch im Grunde ein Gockel mit Tendenz zu Verzweiflungstaten. Sehenswert auch, wie er sich mit Struwwelhaar und Nölstimme in den gemeinsamen Sohnemann verwandelt, der seine Mutter beim Styling coacht …
Kurzum, Kriegenburg gelingt mit seinem grandios spielfreudigen Tandem eine kleine Sensation. Das Stück funktioniert auch ohne Polit-Nostalgie: als immer noch subversiver Klamauk mit Wumms und feiner Intelligenz. Kriegenburgs Lesart versprüht Lebensweisheit – unter der Komik bahnt sich eine Tragödie an.
Zur vollständigen Kritik
Man sieht (…) Boulevard der fortgeschrittenen Art, mit eingebautem Illusionsbruch und schönem Dialogwitz. …
Ernst wird es für den Mann, nicht fürs Publikum, sobald Antonia für „Durchzug“ sorgt. Sie öffnet die Beziehung auch auf ihrer Seite. Zum Daten angeleitet wird sie von ihrem Sohn, den – blitzschneller Rollenwechsel – Biedermann auch noch spielt. Haare verstrubbeln, Pulli über den Kopf ziehen und darunter ein angesagtes T-Shirt, fertig ist Roberto, der Mama mit Styling-Tipps fit macht für den Markt. Eine entwürdigende Prozedur, mit der die auch zum Holzhammer greifende High-Speed- Comedy den feministischen Drall bekommt, der schon bei Fo/Rame angelegt ist. So lacht man in Stuttgart mit gutem Gewissen über Turbulenzen der bürgerlichen Zweisamkeit – und man verlacht die Heuchelei der Männer, die nicht alle für Polyamorie geschaffen sind, sofern sie wechselseitig praktiziert wird. Ein Theatervergnügen. Und manchmal sogar mehr.
Souverän und mit leichter Hand gelingen Kriegenburg und seinem Team fantastische Theatermomente: ein uraltes Thema als Unterhaltung mit Sprengkraft servieren und das Handwerk der Schauspielkunst dazu.
Im besten Sinne einer Farce – durchaus überzwerch angereichert mit possenhaften Einlagen und einem überlebensgroßen Stoffteddy als Platzhalter für (fast) alle sonstigen Charaktere wie die beste Freundin oder der neue Liebhaber – schlägt „Der Mann“ seiner Antonia zur Rettung der Ehe gönnerhaft eine offene Zweierbeziehung vor …
Antonia stimmt in Ermangelung von Alternativen zu und müht sich ab, ebenfalls einen Lover zu finden. Zumal der 24-jährige Sohn Roberto – herrlich gemimt ebenfalls von Gábor Biedermann …– ihr dafür jede Menge „toller“ Tipps gibt: Raus aus dem Haus, shoppen gehen, abnehmen.
Am Ende minutenlanger Applaus und Bravo-Rufe für die fulminante, exemplarische Darstellung einer gescheiterten Beziehung, die auch nach vierzig Jahren noch mit großem Gewinn und Vergnügen anzuschauen ist, und – der Kampf der Geschlechter lebt – auch unter gesellschaftskritischen Aspekten in unsere Tage passt.
Zur vollständigen Kritik
Eigentlich kam Dario Fo vom neapolitanischen Volkstheater … her, aber die Grenzen zum Boulevard sind fließend, und so, immer ein wenig überdreht, spielen auch Gábor Biedermann und Therese Dörr, die in der Rolle der Antonia über sich hinauswächst. Biedermann gibt auch seinen eigenen Sohn mit zerrauftem Haar und erhöhter Stimme und den Freund des Sohnes mit Hawaiihemd und wiederum anderer Frisur.
Dass diese Inszenierung ein Renner wird, lässt sich voraussagen.
Zur vollständigen Kritik
Aber wie relevant ist das Thema in Zeiten des Genderns und der Wokeness? Andreas Kriegenburg macht das am Schauspiel Stuttgart gut: Er improvisiert mit Therese Dörr (Antonia) und Gábor Biedermann (Ehemann und Sohn) sehr nahe an der Textvorlage von Rame und Fo. … Er betont den Theatervorgang selbst. …
Mit (den) Spiel-im-Spiel-Situationen, die sich ständig selbst unterbrechen und kommentieren, baut Kriegenburg einen hohen komödiantischen Level auf. …
Rame und Fo arbeiten mit dem hohen Tempo der Farce, das auch Kriegenburg beherrscht. Therese Dörr macht das toll: Mit trockenem Humor lässt sie den Ehemann auflaufen, beherrscht die Stop- und Go-Technik des Komischen, kann Pausen setzen. Dabei gelingt es ihr, ihre Verzweiflung auszudrücken und den Selbstbewusstseinsprozess in ihren komischen und ernsten Widersprüchen groß anzuspielen. Einfach spannend, ihr zuzusehen.
… das Publikum feierte eine glänzend gemachte Komödie.
Zur vollständigen Kritik