Vögel (DSE)

von Wajdi Mouawad
Schauspielhaus
Dauer – ca. 3:30 Std, 1 Pause
in deutscher, hebräischer, arabischer und englischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Wiederaufnahme
Spielzeit 2021/22
Vögel ist zugleich Thriller und modernes Märchen. Mit der Wucht einer antiken Tragödie erzählt Mouawad von Gewalt, individuellen Schicksalen und familiären Konflikten vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts. Im Lesesaal einer New Yorker Universitätsbibliothek verliebt sich Eitan, ein junger Biogenetiker aus Berlin, in Wahida. Als Eitan seinen Eltern und seinem Großvater, einem Überlebenden der Shoah, seine neue Freundin vorstellt, kommt es zum Eklat. Wahida ist Araberin und für Eitans Vater nicht akzeptabel. Auf der Suche nach den Wurzeln seiner Familie reist Eitan mit Wahida nach Israel. Hier wird sich Wahida ihrer lange verleugneten arabischen Identität bewusst. Und Eitan erfährt von seiner Großmutter ein gut gehütetes Familiengeheimnis …

Der frankokanadische Autor, Schauspieler und Regisseur Wajdi Mouawad, geboren 1968 im Libanon, emigrierte als Achtjähriger nach Frankreich und später nach Kanada, wo er ein Schauspielstudium absolvierte. Als Autor und Regisseur sorgte er mit einer Tetralogie über den libanesischen Bürgerkrieg international für Furore. In Vögel beschreibt er den israelisch-arabischen Konflikt aus der Perspektive einer jüdischen Familie, die auf drei Kontinenten lebt. Die Sprachenvielfalt der Aufführung ist den Identitätsbrüchen der Figuren nachempfunden. Seit 2016 ist Mouawad Direktor des Théâtre national de la Colline in Paris, wo er Vögel 2017 uraufführte.

2019 wird Vögel mit dem Grand prix de littérature dramatique ausgezeichnet. Der Preis wurde 2005 auf Initiative des französischen Ministers für Kultur und Kommunikation ins Leben gerufen und dient der Förderung des zeitgenössischen Dramas als literarischer Kunstform. Nach seiner Erstaufführung im deutschsprachigen Raum durch Burkhard C. Kosminski im November 2018 ist Vögel in der Spielzeit 2019/20 in 14 Produktionen zu sehen, teils 4-sprachig, teils ganz auf Deutsch.

Die Vorstellung dauert insgesamt ca. 3 h 30 min, inklusive einer Pause. 1. und 2. Akt: ca. 1 h 45 min/ Pause: 20 min / 3. und 4. Akt: ca. 1 h 25 min

Deutschsprachige Erstaufführung: Fr – 16. Nov 18
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Übertitel
Anna Kasten
Licht
Dramaturgie

Audio-Einführung mit Martin Bruchmann

Pressestimmen

DIE ZEIT
Peter Kümmel, 22. Nov 18
"Verblüffend ist die Sprachgewandtheit der Spieler. Namentlich Itay Tiran und der junge Martin Bruchmann (als Eitan) wechseln in Sekunden drei-, viermal die Sprache, als wären sie auf der Flucht."

"Dass man [das] Sprachengewirr [der Aufführung] nicht als fremd, sondern als befreiend empfindet, ist das sinnliche Erlebnis, das einem "Vögel" bereitet. Man möchte in diese Sprache aufbrechen. "Vögel" in Kosminskis Inszenierung – das ist Volkstheater, aber es ist das Theater eines Volks ohne Grenzen und ohne Namen."

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Theater heute
Kristin Becker, Jan 19
"Schnörkellos setzt Kosminski den hoch aufgeladenen Text auf die Bühne des Stuttgarter Schauspielhauses. Raumfüllend weiße Papierwände, die Figuren und Settings ver- und enthüllen, dienen als Projektionsflächen und Abgrenzung zwischen verschiedenen Szenen und Zeiten. Tisch, Sofa, Stuhl, Koffer – viel mehr braucht Florian Etti nicht, um einzelne Orte zu markieren. Der Minimalismus ist das Prinzip der Inszenierung, allerdings nur, was die Ausstattung angeht. Schauspielerisch lässt Kosminski durchstarten. Mit der Besetzung gelingt ihm ein großer Wurf, weil jeder der Akteure seine Figur mit bedrückender Intensität auf die Bühne bringt. Und alle so selbstverständlich in verschiedenen Sprachen parlieren, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Selten hat das Stuttgarter Schauspiel so kosmopolitisch gewirkt wie an diesem Abend. Mühelos und virtuos wechselt besonders Martin Bruckmann als Eitan zwischen den Welten und Idiomen: Englisch, Hebräisch, Deutsch und eine verletzliche Unmittelbarkeit – der 29jährige Schauspieler beeindruckt nicht nur mit seiner Multilingualität."

"Und dann wäre da noch Itay Tiran, der im ersten Teil des Abends recht naturalistisch den strengen, unnachgiebigen Vater gibt. Als im zweiten Teil die Familienfassade vollends bröckelt und sein David darüber temporär wahnsinnig wird, spielt der israelische Schauspieler wie befreit auf. Mit subtil-aggressiven Gesten und in den Körper eingegrabenen Emotionen erzählt er die Verzweiflung seiner Figur."

"Das Stück bleibt … in vielen Setzungen ambivalent und regt deshalb zum Denken wie auch zum Widerspruch an."

Die Deutsche Bühne
Detlev Baur, 17. Nov 18
"In seiner Bühnenpräsenz und differenzierten Charakterdarstellung ist Itay Tiran als anfangs abwehrender und schließlich zerrissener David herausragend…. Insgesamt übersetzen Kosminiski und das Ensemble die Geschichte überzeugend auf die Bühne; mit einer Familienaufstellung, die immer in Bewegung bleibt. Vater-Sohn-Konflikte, Geborgenheit und Enge von Familie, Ursprünge und Perspektiven in weltpolitischen Konflikten verbinden sich zu einem kleinen Welttheater."
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nachtkritik.de
Verena Großkreutz, 17. Nov 18
"… trotz des schweren Themas ist das Stück unterhaltend: dank Vermischung der Szenen mit Poesie – so spielt ein altes persisches Märchen eine besondere Rolle – , vor allem aber dank seines sarkastischen Witzes. … Pointenreich sind auch die Kommentare der politisch ziemlich inkorrekten Oma Eitans, eine israelische Dame mit derb-zynischem Humor, von Evgenia Dodina bodenständig gespielt, die sich gemeinsam mit dem Wärme verstrahlenden Dov Glickman als ihrem Ex-Mann und Eitans Großvater in die Herzen des Publikums spielt."
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Südwest Presse
Otto Paul Burkhardt, 19. Nov 18
"... im weiten Feld zwischen Thriller, Familienepos, Zeitstück und Märchen gelingt Mouawad ein schillerndes Well-Made-Play. Das heißt: viel Dialog, heftige Konflikte. Und bei aller Tragik auch lebensweiser Humor."

"Stark die Schauspieler. Alle Figuren erleben existentielle Brüche. … Vor allem Itay Tiran als Eitans Vater David fesselt in allen Stadien seiner Wandlung – vom wehrhaften Israeli, der sich von feindlichen Arabern umzingelt sieht, bis hin zu einem entwurzelten, seines gewachsenen Ichs beraubten Menschen. Famos auch Silke Bodenbender als Norah, Dov Glickmann als beherzter Großvater Etgar und vor allem Evgenia Dodina als scharfzüngige und katatstrophengestählte Grande Dame des Clans."

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Frankfurter Rundschau
Judith von Sternburg, 19. Nov 18
"Die Proben müssen ein schönes Babylon gewesen sein, auf der Bühne entsteht aber nun eine intensive und einleuchtende Authentizität."

Reutlinger General-Anzeiger
Armin Knauer, 19. Nov 18
"Vor allem Evgenia Dodina und Silke Bodenbender bringen auch komische Momente hinein. Das Stück verbindet ausweglose Tragik mit herrlich prägnanten Charakterstudien. Und das mit einer ungeheuer präzisen Sprache, bezwingender Lust am Erzählen und großer Poesie."

"Keine Frage: "Vögel" hat das Zeug zum Klassiker. Wenn das Schauspiel Stuttgart unter der neuen Intendanz auch weiterhin die Probleme der Zeit mit so elementarer Wucht auf die Bühne bringt, stehen Theaterfreunden spannende Zeiten bevor."

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Rhein-Neckar-Zeitung
Volker Oesterreich, 19. Nov 18
"Man betritt das Haus mit einer gewissen Skepsis – und verlässt es gut vier Stunden später voller Begeisterung. Wann passiert so etwas schon mal in den Tempeln der Hochkultur?"

"Nach nur wenigen Szenen empfindet man es als ganz selbstverständlich, dass viersprachig gespielt wird. Die Übersetzungen werden auf die schlichten, aber effektvollen Papierwände des Bühnenbilds projiziert. Florian Etti steht wieder einmal für pures Understatement: Seine Räume sind immer Freiräume für gute Akteure, die guten Texten zur Wirkung verhelfen."

Stuttgarter Zeitung
Roland Müller, 17. Nov 18
"Dass alle Figuren ihre Geheimnisse haben und unauflösbar in private, politische und historische Ereignisse verstrickt sind, entfaltet [Burkhard C. Kosminski] mit äußerster Stringenz. Sein Ensemble verpflichtet der neue Hausherr dabei auf eine strikt realistische Spielweise. Jeder seiner Darsteller hat große emotionale Momente, darunter Itay Tiran, Silke Bodenbender, Martin Bruchmann und andere Darsteller, die man in nächster Zeit noch näher kennenlernen möchte. Gemeinsam verwandeln sie die "Vögel" in eine heutige Tragödie von antikem Ausmaß, die vom Publikum nach der hochkonzentrierten Sitzung heftig gefeiert wird."
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Südkurier
Monika Köhler, 18. Nov 18
"Intensiv und mitreißend, glaubwürdig, in höchstem Maße engagiert und dabei sehr lebensecht…."

"… Deutsch [ist] nur eine Sprache unter vielen, neben Englisch, Arabisch und Hebräisch, die in Übertiteln für den Zuschauer übersetzt werden. Zwar bedarf das ständige Mitlesen einiger Anstrengung. Doch nimmt man das auch wegen der kolossalen Leistung der Darsteller für den Lohn einer erschütternden Authentizität gern in Kauf."

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Augsburger Allgemeine
Richard Mayr, 17. Nov 18
"Kosminski [vertraut] ganz seinem Stoff und seinem vielsprachigen, überzeugenden und mitreißenden Ensemble auf der Bühne."

"Das packt und reißt mit, rührt an und lässt einen nachdenken. Ein mutiges Stück, das das große Weltgeschehen und die Familiengeschichte verschmilzt, ohne dabei alles platt zu machen. … Ein starker Einstand des neuen Intendanten Burkhard C. Kosminski."

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ostalb.net, Kultur aus Ostwürttemberg
Wolfgang Nußbaumer, 22. Nov 18
"Wajdi Mouwads Familiendrama "Vögel" lässt keinen ungeschoren davon kommen. Auch nicht das Publikum. Das bleibt im Wortsinne zwar unbewegt, zeigt sich indes durch die von einem mit grandioser Spielfreude agierenden Ensemble geprägte punktgenaue Inszenierung von Intendant Burkhard C. Kosminski tief berührt. Es dankt für diese deutschsprachige Erstaufführung mit minutenlangen rhythmischen "standing ovations"."
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Schwäbische Zeitung
Jürgen Berger, 20. Nov 18
"Die Familientragödie des libanesisch-kanadischen Autors und Regisseurs zieht sich mit dreieinhalb Stunden etwas in die Länge, ist aber doch ein virtuoses Dialogstück, in dem die Tragödien und Verbrechen des Nahostkonflikts aufscheinen. Und ganz nebenbei zitiert Mouawad die dramatische Weltliteratur. Pate standen Sophokles "Ödipus", Lessings "Nathan der Weise" und Shakespeares "Romeo und Julia". So was muss man erst mal können: Per dialogischer Erzählstruktur derart elegant Geschichten und Geschichte transportieren, dass einzelne Passagen zwar durchaus pathetisch wirken können, dem geneigten Publikum das irgendwann aber völlig egal ist."
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Stuttgarter Nachrichten
Nicole Golombek, 17. Nov 18
"Davids Hassrede [gespielt von Itay Tiran] ist einer von vielen starken Momenten am Freitagabend ... . Manchmal braucht es nicht mehr als einen guten Schauspieler und gebannte Zuschauer."
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SWR2
Karin Gramling, 18. Nov 18
"Die Inszenierung macht deutlich wie schwer es ist, [den andauernden israelisch-palästinensischen Konflikt] zu überwinden. Beeindruckend besetzt mit überzeugenden Schauspielerinnen und Schauspielern, die zum Teil aus Israel stammen oder zumindest zweisprachig aufgewachsen sind. Anrührend, aber auch mit viel Humor umgesetzt. Mit dreieinhalb Stunden ist der Abend am Ende allerdings zu lang geraten. Dennoch gelingt dem Intendanten Burkhard Kosminski mit "Vögel" ein gelungener Regieauftakt in Stuttgart, der Lust macht auf das, was noch kommt."
Der Freitag
Antonia Munding, 29. Nov 18
"In einer Traumsequenz geleitet Wazzan David ins Jenseits und erzählt ihm die Geschichte des Amphibienvogels, der aus dem Himmel stürzt, um die „jadeschuppigen Fische“ des Meeres kennenzulernen. Das ist keine kitschige Sterbebegleitung, sondern entpuppt sich als Gleichnis, das weit über Familiensaga und Nahostkonflikt hinausweist – fragt es doch nach der Identität des Künstlers. … Seine Aufgabe ist es, das Fremde zu erkunden, Grenzen zu überwinden, um eine künstlerische Utopie, ein Wolkenkuckucksheim zu erschaffen. Diese Allegorie auf die Kraft des Theaters ist ein starkes Bild zum Start einer neuen Ära."
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Fränkische Nachrichten
Dieter Schnabel, 24. Nov 18
"Kann man sich noch über den Begriff "deutschsprachige Erstaufführung" bei einem Stück streiten, in dem die Akteure in vier Sprachen sprechen …, so nicht über die Qualität des Stücks und dessen etwas mehr als dreieinhalbstündige Vorstellung, einschließlich einer Pause. Denn beides ist hervorragend und von einer schon länger nicht mehr gehörten und gesehenen Qualität."

"…dramaturgisch geschickt gebaut, politisches und menschliches Interesse weckend, stets spannend und zuweilen poetisch erzählt."

"Mit viel Fantasie und auch solche von den Theaterbesuchern fordernd, setzt Burkhard C. Kosminski die Geschichte überwiegend als realistisches Spiel, gegen Ende bis ins Absurde hineinreichend, in Szene. Dabei steht ihm ein erstklassiges Ensemble zur Verfügung, um seine Intentionen adäquat verwirklichen zu können. Itay Tiran, einer der großen israelischen Schauspieler unserer Tage, verkörpert die zwiespältige, später in sich selbst zerrissene Figur des David mit nuancenreicher, expressiver Intensität."

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Online Merker
Alexander Walther, 16. Nov 18
"Burkhard C. Kosminski hat hier im kargen Bühnenbild von Florian Etti und den schlichten Kostümen von Ute Lindenberg eine Geschichte erzählt, die den Zuschauer unmittelbar berührt und die unter die Haut geht. … Diese entscheidenden Wandlungsprozesse der Protagonisten hat der Regisseur subtil herausgearbeitet, so bleibt viel Raum für elektrisierende Begegnungen. … Die Auseinandersetzungen zwischen den Personen verfolgt Burkhard C. Kosminski mit nie nachlassender Intensität, die den Zuschauer betroffen zurücklässt."
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dizekultur.de
Dietholf Zerweck, 19. Nov 18
"Der israelische Schauspieler Itay Tiran macht den radikalen Fundamentalismus dieser Figur großartig deutlich…. Das Verhör von Wahida durch die israelische Soldatin Eden (Maya Gorkin) … ist beklemmend."
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"VÖGEL" Trailer - Schauspiel Stuttgart

Einblick zu den Sprachen bei "VÖGEL"
Audio-Einführung zu VÖGEL mit Martin Bruchmann
Einblick II zu "VÖGEL"