Die Erziehung des Rudolf Steiner
Schauspielhaus
Ab Klasse 9
Dauer – ca. 1:30 Std., keine Pause
Uraufführung
Sa – 12. Okt 24
Sa – 12. Okt 24
Ein Kind betritt eine Bühne und beginnt zu sprechen. Sind wir bei einer Vorstellung im Theater oder beim Klassenspiel im Rahmen einer Monatsfeier in der Schule? Das Kind scheint nicht besonders alt. Es spricht von sich und seiner Entwicklung. Wir hören von spirituellen Erfahrungen aus einer längst vergangenen Zeit. Die Worte wirken sehr gewählt, beinahe vorbestimmt, als spräche jemand anderes durch das Kind – nur wer? Vielleicht wurde es so erzogen? Ist es doch nur ein Stücktext? Oder hören wir hier eigentlich die Visionen eines Reformpädagogen?
1919 gründete Rudolf Steiner auf der Stuttgarter Uhlandshöhe gemeinsam mit dem Unternehmer Emil Molt die weltweit erste Waldorfschule. Seither hat sich die Waldorfpädagogik zum internationalen Erfolgsmodell entwickelt. Dabei ist die in der anthroposophischen Philosophie Steiners begründete Pädagogik nicht unumstritten und gerade wegen ihrer esoterisch anmutenden Ursprünge wiederholt Gegenstand von Kritik. Doch auch darüber hinaus schlägt sich das Wirken Steiners bis heute in vielen Lebensbereichen nieder: beispielsweise in biologischen Landwirtschaftsstrategien, den Firmenphilosophien von Kosmetikunternehmen oder anthroposophischer und homöopathischer Medizin. Woher stammen die Strahlkraft und Ambivalenz dieser Figur, die von den einen als Prophet vergöttert und von anderen als Urheber realitätsferner Glaubenstheorien verurteilt wird?
Gefördert durch Zeitgeist Irland 24, eine Initiative von Culture Ireland sowie der irischen Botschaft in Deutschland.
1919 gründete Rudolf Steiner auf der Stuttgarter Uhlandshöhe gemeinsam mit dem Unternehmer Emil Molt die weltweit erste Waldorfschule. Seither hat sich die Waldorfpädagogik zum internationalen Erfolgsmodell entwickelt. Dabei ist die in der anthroposophischen Philosophie Steiners begründete Pädagogik nicht unumstritten und gerade wegen ihrer esoterisch anmutenden Ursprünge wiederholt Gegenstand von Kritik. Doch auch darüber hinaus schlägt sich das Wirken Steiners bis heute in vielen Lebensbereichen nieder: beispielsweise in biologischen Landwirtschaftsstrategien, den Firmenphilosophien von Kosmetikunternehmen oder anthroposophischer und homöopathischer Medizin. Woher stammen die Strahlkraft und Ambivalenz dieser Figur, die von den einen als Prophet vergöttert und von anderen als Urheber realitätsferner Glaubenstheorien verurteilt wird?
Gefördert durch Zeitgeist Irland 24, eine Initiative von Culture Ireland sowie der irischen Botschaft in Deutschland.
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Musik
Video
Licht
Dramaturgie
Übersetzung
Katalin Oliveras, Victor Schlothauer
Besetzung
Flinn Naunheim, Levin Raser, Samuel Santangelo
Kinderstatisterie
… Um [zur] tiefen Fülle des Daseins zu gelangen, bedarf es eines neuen, die Oberfläche durchdringenden Sehens. Das Regiekollektiv Dead Centre hat dafür ein faszinierendes Bühnenkonzept entwickelt. … Mittels einer speziellen Tricktechnik wird dabei die kindliche Erzählfigur auf der vorderen Bühne gleichzeitig auf das Hintergrund-geschehen projiziert. Aus dieser permanenten Doppelung entsteht eine Geisteratmosphäre, geschaffen und dirigiert von einem Kind …
… Doch damit nicht genug! Denn diese Inszenierung lässt sich ebenso als eine Großmetapher auf das Theater selbst verstehen. … Wie in einem Probeprozess manifestiert sich so allmählich ein innerer Kosmos auf der Bühne, magisch und hellsichtig.
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Nie dozierend und mit dem Einsatz tatsächlicher und textlicher Spiegelungen kontrastiert das Stück die schwärmerische Weltdeutung Steiners mit dem profanen Alltag. …
Das Kind auf der Bühne macht die Seltsamkeit von Steiners Vorstellungen … mehr als anschaulich. Und doch zeigt das Theater als Hort der Phantasie und des Widerstands naturgemäß viel Sympathie für die Lehren der Anthroposophen. Irgendwie geht das in Ordnung.
… Einen naiven und zugleich pragmatischen Satz spricht der von der Dreigliedrigkeitslehre beseelte Öko-Freak: Man müsse Eklektizismus betreiben und aus Steiners Werk das herausnehmen, was in die Welt passe. Wie das funktioniert, führen die Regisseure Ben Kidd und Bush Moukarzel bei dieser deutschen Uraufführung im Stuttgarter Schauspiel kongenial vor.
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Was mysteriös anmutet, gerät zu einem so kurzweiligen wie subtilen und intelligenten Theaterabend, der nicht vorgibt, alles über Rudolf Steiner zu wissen. …
Das fantastische Ensemble macht die Ambivalenzen greifbar, nicht nur von der Person Steiner, auch von dem, was als Mainstream erst kritisches Denken provoziert.
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Was folgt ist ein Parforce-Ritt durch, aber keine Vorlesung über Anthroposophie. Dead Centre übersetzen vielmehr die Vorstellung Steiners einer – für die meisten Menschen unsichtbaren, aber ihr Schicksal beeinflussenden – Geisteswelt spiegelverkehrt auf die Bühne. …
Das ist an der Oberfläche flott und witzig inszeniert: Da trifft der Akademiker-Vater auf den Esoteriker-Freund der Tante. Philipp Hauß gibt den Doktor, der sarkastisch-aggressiv auf alle Elemente der Waldorf-Welt reagiert, um zu überspielen, dass er die eigene Lebens-Unzufriedenheit nicht rational zu fassen kriegt. Felix Strobel spielt seinen Antipoden als Alternativ-Hallodri, der Anthroposophie als Teaser benutzt, um die Mutter ins Bett zu kriegen. Die ist auf Sinnsuche, für die doch eigentlich das Kind die Lösung hätte sein sollen (großartig in ihrer Verunsichertheit: Therese Dörr). Mina Pecik wiederum lässt die von der Vergangenheit verletzte Tante quasi erstarren.
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In der vor allem ästhetisch reizvollen und anspielungsreichen Inszenierung von Dead Centre sind … kritische Perspektiven auf Steiners Erziehungsmodell zwar enthalten, das Publikum muss sie aber sehen und entschlüsseln wollen. … Die rassistischen Elemente und die Gefahren der Weltabgewandtheit von Steiners Esoterik werden in der Inszenierung nur en passant kritisch gewürdigt. So bleibt die Anthroposophie auch hier ein seltsames, verführerisch schillerndes Konstrukt.
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… Dead Centre rollen die spannende Geschichte Steiners auf. Zugleich erkunden sie mit dem Publikum Grenzen der Theaterkunst. Jeremy Herbert hat ein Bühnenbild geschaffen, auf dem sich das Publikum spiegelt. … Technisch ist das grandios umgesetzt. Kevin Gleesons assoziative Musik öffnet Traumbrücken in die vielen schwer nachvollziehbare Welt der Anthroposophie, die Kreativität schon im Kindesalter wecken soll.
Mit leichtem britischem Humor zeigen Dead Centre die komischen Seiten der Waldorf-Pädagogik. Gerade in Stuttgart, wo diese Bewegung begann und nach wie vor fest verwurzelt ist, erfordert das nicht nur Mut, sondern auch Fingerspitzengefühl. Mit leichter Komödienkunst nimmt das Kollektiv dem Stoff die Schwere. … …
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Das Dead-Centre-Gespann aus Ben Kidd und Bush Moukarzel, das sich auch schon mit Wittgenstein und Freud auseinandergesetzt hat, umkreist das Phänomen Steiner in nur 90 Minuten auf kompakte und eigenwillige Weise. Es mixt Biografie und heutige Waldorf-Praxis, optische Zaubertricks und Boulevard-Dialoge durcheinander – zu einem Stück, das trotz aller Distanz etwas von der Faszination des Sujets erahnen lässt. …
… Auch die autoritären, antisemitischen und rassistischen Problemzonen des Steinerschen Denkens werden gestreift, wenn auch behutsam.
Nein, eine markante Abrechnung ist das Ganze nicht, eher eine multiperspektivische Betrachtung.
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… Während der im Stück achtjährige Flinn, großartig gespielt und mit einem Monitorhörer im Ohr, der ihm den umfangreichen Text vorgibt, auf der Vorderbühne seine Doppelrolle mit liebenswürdiger Natürlichkeit darstellt und dabei Goethe-Verse und Steiner-Gedanken zitiert, werden Vater und Mutter, Tante und Waldorfinfizierter Partner hinter dem Spiegel zu Mitspielern. Das ist bühnen- und beleuchtungstechnisch virtuos arrangiert …
Vier Glieder formen das menschliche Wesen: der physische Leib, der Ätherleib, der Astralleib und ein „Ich-Leib als Träger der höheren Menschenseele“. Auch solche Weisheiten kommen im Stück zur Sprache, werden aber in zuweilen an Yasmina Rezas witzige Gesellschaftssatiren erinnernden Dialogen verflüssigt. …
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Der Titel des Stücks ist zweideutig. Die Erziehung des Rudolf Steiner kann davon handeln, wie Steiner erzogen wurde, oder von seiner Theorie, wie zu erziehen sei … Das Leben und die Lehren Rudolf Steiners interessieren Dead Centre aber kaum, jedenfalls nicht im Sinne eines Dokumentardramas, das den verbürgten Tatsachen verpflichtet ist. Es benützt Partikel der Wirklichkeit vielmehr für eine poetische Fiktion, in der Exkurse zum Theater eine nicht weniger bedeutsame Rolle spielen als eben Rudolf Steiner. Steiner tritt denn als die Figur, die wir kennen, auch gar nicht auf, sondern spricht durch ein Kind, das zugleich ein Greis ist …
... Die Dialogpartner des Kindes … erscheinen wie Gespenster hinter einer Spiegelwand, um, technisch perfekt, mit den Spiegelbildern zu verschmelzen.
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