Verbrennungen
Schauspielhaus
Dauer – ca. 2:55 Std, eine Pause
in deutscher, hebräischer, arabischer und englischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Premiere
Sa – 05. Feb 22
Sa – 05. Feb 22
Sie ist verstummt. Fünf Jahre Jahre bis zu ihrem Tod spricht Nawal kein einziges Wort mehr. Bei der Testamentseröffnung erhalten ihre Kinder, die Zwillinge Johanna und Simon, zwei verschlossene Briefe. Einer ist an ihren älteren Bruder, von dessen Existenz sie nichts wussten, und der andere ist an ihren totgeglaubten Vater adressiert. Die Suche nach ihnen führt sie in die Heimat der Mutter, in den Nahen Osten – und in die kollektive Tragödie des Krieges. Parallel dazu erlebt Nawal ihre eigene Geschichte noch einmal: Die Suche nach ihrem Kind und die gefährliche Reise durch von Krieg zerrüttete Gebiete und Orte, in denen die Miliz ihr grausames Spiel treibt. Die Zwillinge finden schließlich heraus, wer ihre Mutter wirklich war, welches Geheimnis sie jahrelang mit sich herumgetragen hatte und wie tief die Familie in die von Krieg geprägte Vergangenheit verstrickt ist.
Mouawad hat seinem Theaterstück eine raffinierte Struktur gegeben. Die filmische Struktur des Textes lässt die Handlung vor- und zurücklaufen. Neben der Geschichte um Johanna und Simon entspinnt sich eine zweite Erzählebene, die Bruchstücke aus dem früheren Leben von Nawal zeigt. Die beiden Narrative greifen ineinander. Gestern, heute – alles läuft gleichzeitig ineinander und zusammen wie ein Mosaikspiel. Die fesselnde und ergreifende Familiensaga vor dem Hintergrund des Kriegs im Libanon und in Israel erzählt, vergleichbar nur mit der Wucht griechischer Tragödien, was der Krieg mit einer Familie anrichten kann und wie sehr das einmal Eigene, die angebliche Identität, davon bestimmt wird.
Auch die vier Sprachen, Englisch, Hebräisch, Arabisch, in denen das Stück erstmals gezeigt wird, ergeben ein komplexes und vielfältiges Sprachgefüge in einer Welt, in der für das, was passiert, erst Worte gefunden werden müssen und die weit über die eigene sprachliche Identität hinausgeht.
Mit freundlicher Unterstützung des Fördervereins der Staatstheater Stuttgart e.V.
Mouawad hat seinem Theaterstück eine raffinierte Struktur gegeben. Die filmische Struktur des Textes lässt die Handlung vor- und zurücklaufen. Neben der Geschichte um Johanna und Simon entspinnt sich eine zweite Erzählebene, die Bruchstücke aus dem früheren Leben von Nawal zeigt. Die beiden Narrative greifen ineinander. Gestern, heute – alles läuft gleichzeitig ineinander und zusammen wie ein Mosaikspiel. Die fesselnde und ergreifende Familiensaga vor dem Hintergrund des Kriegs im Libanon und in Israel erzählt, vergleichbar nur mit der Wucht griechischer Tragödien, was der Krieg mit einer Familie anrichten kann und wie sehr das einmal Eigene, die angebliche Identität, davon bestimmt wird.
Auch die vier Sprachen, Englisch, Hebräisch, Arabisch, in denen das Stück erstmals gezeigt wird, ergeben ein komplexes und vielfältiges Sprachgefüge in einer Welt, in der für das, was passiert, erst Worte gefunden werden müssen und die weit über die eigene sprachliche Identität hinausgeht.
Mit freundlicher Unterstützung des Fördervereins der Staatstheater Stuttgart e.V.
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Video
Musik
Licht
Dramaturgie
Übertitel
Anne Hirth
Wenn etwa Martin Bruchmann einen derwischhaft tanzenden und singenden psychotischen Heckenschützen spielt, der in seinem Irrsinn eben nicht faszinierend, sondern abstoßend wirkt. Und wenn Evgenia Dodinas Nawal bei einem Prozess aussagt und sie mit fester Stimme, Tränen in den Augen ihrem einstigen Peiniger und Vergewaltiger prophezeien wird, dass eines Tages ihre – und damit auch seine – Kinder vor ihm stehen werden.
kraftvoll und energiesprühend: Salwa Nakkara
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Evgenia Dodina spielt Nawal in allen Lebensstadien – vom ersten Verliebtsein über Ausbrüche aus archaischen Zwängen bis hin zum traumabedingten Schweigen später Jahre: ein beeindruckendes Porträt.
Dafür fesseln große Augenblicke, denn inmitten der Grausamkeiten lässt die Regie auch ermutigende Bilder aufblitzen: Szenen der Hoffnung, die von subversivem Humor und von der möglichen Befreiung aus der bedrückenden Gewaltspirale künden.
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Obwohl Evgenia Dodina größtenteils in diesem fremden, rauen Hebräisch spricht, obwohl es auf der Flucht mit ihrer Freundin Sawda (der ebenso eindrucksvollen Salwa Nakkara) oft laut zugeht, macht sie Nawals Verzweiflung spürbar, die endlose Stärke dieser Frau … Starke Porträts voll unterdrückter Wut und stummer Resignation liefern Lilian Barreto, Christiane Roßbach oder Noah Baraa Meskina als die Opfer und auch Täter … Großartig tänzelt Martin Bruchmann als ein Rockstar des Tötens ins Bild, dem das Abknallen zum Auftritt wird – auch er ist nur ein traumatisiertes Opfer, eine Einlage von äußerstem Zynismus.
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Dass Johanna und Simon beim Rückwärts-Recherchieren … auch die fatalen Umstände der eigenen Herkunft entdecken, entwickelt Kosminski mit ruhiger Hand, knapp, schlaglichtartig – umso beklemmender. Striche bei wortreichen Exkursen steigern die Wucht der Kernsätze … So entsteht eher leises Schauspielertheater, ein Ineinander von Menschheits- und Familiendrama, antiker Ödipus-Tragödie und Thriller-Suspense.
Evgenia Dodina spielt Nawal, die Mutter, in vielen Lebensstadien …: ein starkes, unsentimentales und doch subtil melancholisches Porträt eines außergewöhnlichen Frauenlebens. Eingebettet ist dies in eine respektable Ensembleleistung mit Paula Skorupas empathischer Johanna und Elias Krischkes zögerlichem Simon.
Dennoch lässt die Regie inmitten von Krieg und Terror ermutigende Bilder aufscheinen, die von subversivem Witz und von einer Befreiung aus der Gewaltspirale künden.
Durchgängig überzeugend und glaubwürdig dabei etwa Evgenia Dodina, die mit Tiefe im Spiel und vollem Körpereinsatz die Mutter Nawal überzeugend gibt.
Die Inszenierung fragt darüber hinaus, inwieweit es überhaupt möglich ist traumatische Kriegserlebnisse zu verarbeiten, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. In dem sich die Zwillinge am Ende ihrem Trauma stellen, scheint ein Neuanfang möglich. Ein hoffnungmachender Ansatz, den Burkhard Kosminski mit seinem Ensemble dem Publikum mit auf den Weg gibt. Es lohnt sich darüber nachzudenken.
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Im zweiten Teil inszeniert Kosminski ins Herz der Finsternis. Die Berichte von Nawal und Sawda aus dem Bürgerkrieg, aus dem Foltergefängnis von Kfar Rayat durch die von Johanna ausfindig gemachte Hausmeisterin (Christiane Roßbach), sind erschütternd: im Live-Video in Sepiabraun auf die riesigen Lenwände projiziert, wirken die Gesichter von Dodina und Nakkara, noch verstärkt durch ihren fremdsprachig archaischen Redestrom, ungeheuer authentisch.
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