Amerika

von Franz Kafka
Karten
https://www.schauspiel-stuttgart.de/ Schauspiel Stuttgart Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart
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So – 22. Dez 24, 18:00
Schauspielhaus
Ab Klasse 9
Dauer – ca. 2 Std., keine Pause
Premiere
Sa – 18. Mai 24
Karten
https://www.schauspiel-stuttgart.de/ Schauspiel Stuttgart Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart
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So – 22. Dez 24, 18:00
Kafkas unvollendet gebliebener Roman, der auch den Titel Der Verschollene trägt, beginnt mit einer Verheißung: „Als der sechzehnjährige Karl Roßmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von New York einfuhr, erblickte er die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker gewordenen Sonnenlicht.“ In New York wird Karl von einem reichen Onkel aufgenommen und später unter fadenscheiniger Begründung verstoßen. Auf der Suche nach Arbeit begegnet er zwei Landstreichern, die ihn ausnutzen, findet unter der Obhut der Oberköchin des Hotel Occidental einen Job als Liftboy und landet als Diener bei der ehemaligen Sängerin Brunelda. Schließlich bekommt er eine Anstellung als Techniker beim Naturtheater von Oklahoma.

Amerika ist eine Auswanderergeschichte und zugleich ein Anti-Bildungsroman: Jemand sucht in der Neuen Welt sein Glück und wird ein Niemand. In aberwitzigen Abenteuern schildert Kafka den sozialen Abstieg seines Helden und seziert humorvoll und sarkastisch den amerikanischen Traum. Er erzählt von Fremdsein und Weltverlust und von der existenziellen Suche eines Heimatlosen in der modernen Welt.
Inszenierung
Kostüme
Mediengestaltung
Bors Ujvári
Dramaturgie

Pressestimmen

Ludwigsburger Kreiszeitung
Uta Reichardt, 21. Mai 24
Diese zweistündige Bühnenarbeit ohne Pause ist insbesondere in ihrer atmosphärischen Gesamtheit eine durch und durch runde Sache geworden …

Nun ließe sich einwenden, ein absurd-unheimliches Timbre sei erwartbar für eine Kafka-Inszenierung. Und doch bleibt es hohe Kunst, Kafkas ganz eigene Textschwingungen über den nach Amerika verstoßenen jungen, naiv-bemühten Karl, der dort statt des „American Dream“ einen realen Alptraum … durchlebt, auf die Bühne zu transponieren – ohne entweder allzu brav nachzuerzählen oder das Trashige zu überstrapazieren.
Viktor Bodó und dem Ensemble gelingt dieser Balanceakt aber mit mehreren Kniffen …

… auch das Darsteller-Ensemble … überzeugt mit quirliger Spielfreude, Ausdrucksstärke und Wandlungsfähigkeit.
Wer glaubt, nach zwei Stunden sei denn alles ausgespielt, hat die Rechnung freilich ohne ein atemberaubendes Abschluss-Spektakel gemacht, von dem sich mutmaßlich behaupten lässt: Franz Kafka hätte es gefallen – so wie dem Publikum, das sich mit minutenlangem Beifall bedankt.
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Heilbronner Stimme
Claudia Ihlefeld, 24. Mai 24
… eine bizarre Revue in Stummfilmästhetik mit großartigem Ensemble.

Aberwitzig und mächtig schrill überzeichnet die Regie, scheut keine Slapsticks und schafft dabei doch bildstarke, im besten Sinne kafkaeske Tableaux wie Filmstills, die an Wes Andersons Kino erinnern. Videoeinspielungen transportieren das Phänomen Moloch New York und den Rausch der Geschwindigkeit. Dazwischen irrlichtert David Müller wie Charlie Chaplins Tramp durch den Abend, umzingelt von Zerrbildern fieser Kapitalisten in Fatsuits, obrigkeitshöriger Angestellter und einer geilen, peitschenschwingenden höheren Tochter … Eine Horrorstory, bei der die Schauspieler lustvoll in wechselnde Rollen schlüpfen.

… Frenetischer Applaus für einen so komischen wie gespenstischen Abend.
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Südwest Presse
Otto-Paul Burkhardt, 21. Mai 24
Das prägende Bild ist eine die ganze Bühne beherrschende, breite Straße, die nach hinten hin steil ansteigt – eine Chiffre für die Verheißungen der Neuen Welt. Doch der Traum vom sozialen Aufstieg wird auch in Bodós Kafka-Lesart umgedreht, auf den Kopf gestellt. Karls Karriere führt in einer Welt voller Tollheit, Gier und Kälte steil bergab. …

Alles in allem: eine der besten Romanadaptionen seit langer Zeit. Gut, das Labyrinthhafte, Ausweglose in Kafkas Prosa kommt zu kurz. Dafür setzt Bodó auf opulentes Theater, auf unterschätzte Komik-Anteile, ohne das Dunkel-Tragische zu verraten. Amerika wird so zur Kintopp-Groteske, poetisch, surreal, teils in Beckett-Manier. Auf jeden Fall: ideenreich.
Nachtkritik
Steffen Becker, 19. Mai 24
Amerika bzw. Der Verschollene ist die Geschichte eines sozialen Abstiegs. … Karl versteht einfach nicht, wie die „Dinge funktionieren“ in der Fremde. Während der Ansager der Szenen (Simon Löcker) zunehmend verzweifelt, begegnet Karl seinen Mitmenschen auf jedem Schritt nach unten weiterhin mit Offenheit und Güte. David Müller spielt das mit einer begeisterten, aber nie peinlichen Naivität. Die Absurdität der Geschichte entfaltet sich mit ihm einfach durch den Gegensatz, dass die Figur rechtschaffen und aufrichtig sein will, aber in eine Welt voll Gier, Lug und Trug geworfen wird. …
Die schwierigste Herausforderung des Romans meistert [die Inszenierung] elegant. … Bodó betont … das offene, auszuarbeitende Ende von Amerika und schafft die Klammer zur Biografie Kafkas und dessen Emigrations-Sehnsucht. Letzteres ist im Kafka-Mania-Jahr 2024 ein cleverer Schachzug.
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Frankfurter Rundschau
Judith von Sternburg, 22. Mai 24
Franz Kafkas Roman Amerika ist in der Inszenierung von Viktor Bodó für das Schauspiel Stuttgart eine Fantasterei aus dem Geist des absolut öden Berufslebens. Das ist jetzt kein besonders origineller Gedanke, aber schön ausgeführt. ... Josef K., bekannter aus Franz Kafkas Roman Der Process, wird hier als Kafka-Alter-Ego und Katalysator der Fantasie eingesetzt. In der amerikanischen Fantasie tauchen auch die Kolleginnen und Kollegen wieder auf, logisch. …

… die Folie des Kafkaschen Erfahrungshorizontes – fleißige Arbeit, engstirnige Umgebung – verlässt Karl Roßmann auch in der Fremde nicht.
Er selbst, David Müller, bleibt im Buhei und zwischen all den teils heftigen Karikaturen ein freundlicher junger Mann, arglos und gutmütig, geradezu strahlend. …

Das Ensemble behält einen Abstand zum Text. Er wird nicht interpretiert im engeren Sinne, aber es wird hübsch deutlich, dass seine Tollheiten, strukturellen Härten … und alptraumhaften Seiten eine Matrix sind, durch die hindurch immer wieder Franz K. selbst sichtbar ist. Und, das erlaubt sich das Theater zu Recht, auch das Theater.
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Die deutsche Bühne
Manfred Jahnke, 19. Mai 24
In New York gelandet, trifft [Karl Roßmann] auf seinen reichen Onkel Jakob (wunderbar aasig: Michael Stiller), der ihn aufnimmt. … Die großen Brüche zwischen (kurzem) Glücksgefühl und tiefen Demütigungen spielt David Müller naiv aus: er leidet nie wirklich, er schaut mit großen Augen staunend auf das, was mit ihm passiert. Alles ist neu für ihn, eine Vergangenheit hat er nicht (nicht einmal denkt er an sein Kind): Es gibt nur ein Vorwärts, so schlecht dieses auch ist, er nimmt es gleichmütig hin. Viktor Bodó unterstützt in seiner Regie das „Tumbhafte“ (Erinnerungen an Parzival drängen sich auf) in der Figur des Roßmann, der von Station zu Station eilt, ohne Aussicht auf Erlösung. Müller ist auch der Einzige, der seine Rolle durchspielt: Im exzellenten Ensemble übernimmt jede*r mehrere Rollen.

… Die Videos [von Bors Ujvári und Nur Mohammed] sind klug eingesetzt, wie auch die atmosphärische Musik von Klaus von Heydenaber, die wie im Film im Hintergrund läuft und sich doch ins Ohr einschmeichelt. …

Viktor Bodó setzt auf starke atmosphärische Bilder, die filmisch konzipiert sind. … Ebenso beherrscht er die Kunst der Tempi: Was eben noch mit einer enervierenden Langsamkeit begann, nimmt blitzschnell Tempo auf. Immer wieder werden Stopps eingebaut, wenn der Erzähler (Simon Löcker) mit Originaltexten von Kafka auftritt. Über dem Ganzen schwebt Selbstironie, wenn es in der Aufführung einmal heißt: „wir vermischen poetischen Realismus und absurdes Theater in Ermangelung von etwas Besseren“. Mit einem starken Ensemble … schafft Bodó einen bildkräftigen Abend zwischen Unterhaltung, Groteske und sozialer Erzählung.
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Südkurier Konstanz
Siegmund Kopitzki, 22. Mai 24
… David Müller, Josef K. und Karl Roßmann in einer Person, nimmt [im „Vorspiel“ dieser Inszenierung] die Lieferung entgegen, eine Miniaturausgabe der Freiheitsstatue.
Was das ist? Ein Verwirrspiel der Regie. Ein intertextueller kafkaesker Hinweis darauf, dass Karl ein ähnliches Ende droht wie Josef K. Auch in einer anderen Causa sorgt Bodó, dem sein Durchbruch als Regisseur mit einer Adaption des Prozess gelang, für verwirrende Klarheit.

Amerika auf der Bühne hat Züge eines Stationen-Dramas. … Um einen überzeugenden Spannungsbogen zu schaffen, entwickelt er [Bodó] – mit Zita Schnábel, Bühne; Dóra Pattantyus, Kostüme; Klaus von Heyden-aber, Musik; Jörg Schuchardt, Licht – ein regelrechtes Ideengewitter. ...

Kafkas Prosa auf der Bühne ist heikel, der Sprache, aber auch der Inhalte der Texte wegen, die bisweilen in eine scheinbare Irre führen.
Bodó besetzt seine theatralische Nummernrevue mit zehn Schauspielern, die in 32 Rollen schlüpfen. Das ist auch eine logistische Meisterleistung. David Müller steht immer im Brennpunkt, das heißt zwei Stunden Dauerpräsenz auf der Bühne. Müller gibt Roßmann als liebens-würdigen, aber auch hilflosen, wenig lernfähigen Jüngling. ...

Stuttgarter Zeitung
Nicole Golombek, 21. Mai 24
… so hilfsbereit Karl ist, so gefährlich naiv ist er. Wer dem erstbesten blind vertraut, sitzt leicht Fake News auf. …

Regisseur Viktor Bodó und sein Dramaturgenpaar Anna Veress und Ingoh Brux wiederum sehen … im Text einen Künstlerroman. …

Zunächst aber tritt das Ensemble in uniformierter Bürokluft anno dunnemals auf. Die Regie reichert den Text mit … auf die Verwandlung anspielenden Prolog an, in dem die streng durchgetaktete Angestellten-welt den Kontrast zum finalen freien Künstlerdasein bildet. Samt Geräusch eines umherfliegenden Ungeziefers (Gregor Samsa?), das die Souffleuse durch einen energischen Schlag mit dem Textbuch erlegt. …
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Die Rheinpfalz
Jürgen Berger, 24. Mai 24
Bodós Bühnenfassung hat eine Art Prolog, den Kafka nicht vorgesehen hat … Die gedehnte Zeit eines schläfrigen Bürokratismus ist … der notwendige Kontrast zu dem, was den jungen Roßmann erwartet, nachdem er die Freiheitsstatue erblickt und in New York von Bord gegangen ist. …

… Von seinem erfolgreichen und wohlhabenden New Yorker Onkel (Michael Stiller spielt ihn schön abgefeimt) wird er verstoßen .... Die Halunken Robinson (Peer Oscar Musinowski) und Delamarche (Marco Massafra) checken sofort, dass man den Naivling ausnehmen kann wie eine Weihnachtsgans. Und die ominös laszive Sängerin Brunelda (Therese Dörr sorgt als Königin der Nacht mit kurzen Koloraturen für prickelnde Hallo-Wach-Momente) sieht in Karl nur den nächsten Lakaien in ihrem Jungmänner-Harem. David Müller gibt Karl die wundersame Parzival-Anmutung eines Menschen, der sich leichtfüßig durch eine fremde, bösartige Welt bewegt, aber nie wirklich in Lebensgefahr gerät. …

Bodó hat ein Händchen dafür, Figuren entstehen zu lassen, ohne dass er das Klischee einer düsteren Verlorenheit à la Kafka bedient. Roßmanns transatlantisches Abenteuer hat in Stuttgart etwas wohltuend Beschwingtes und folgt in diesem Punkt Max Brod, dass Kafka diesen Roman „hoffnungsfreudiger und lichter“ genannt habe als alles, was er ansonsten geschrieben habe. ...

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Deutschlandfunk, Kultur heute
Christian Gampert, 19. Mai 24
… Nachdem Karl Roßmann ständig die Schwachen verteidigt hat, … trifft er auf die beiden Landstreicher Robinson und Delamarche. … Originell ist, dass Bodó die beiden wie überkandidelte Vorläufer von Vladimir und Estragon aus Becketts Warten auf Godot inszeniert und dass sie, trotz all ihrer bescheuerten Exaltiertheit, Kafka als Visionär des absurden Theaters kenntlich machen. Ähnliches gilt für Roßmanns Hotel-Episode als Liftboy, als er mit einer kleinen Sekretärin eine großartige linkische Liebesszene hat und von einer fürsorglichen Oberköchin betreut wird. Und trotzdem Kafkas Ur-Thema der Kontrolle durch den großen Apparat immer vorhanden ist …
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