John Gabriel Borkman

von Henrik Ibsen
Aus dem Norwegischen von Heiner Gimmler
In einer Bearbeitung von Daniela Löffner
Schauspielhaus
Ab Kl.10
Dauer – ca. 2:05 Std., keine Pause
Premiere
Sa – 23. Mär 24
Der ehemalige Bankdirektor John Gabriel Borkman ist tief gefallen. Für ein privates Investment hat er Kundengelder veruntreut und sich dabei verspekuliert. Das Gericht verurteilt Borkman zu einer mehrjährigen Haftstrafe, während sich seine Ehefrau Gunhild und der gemeinsame Sohn Erhart mit dem finanziellen Ruin und der gesellschaftlichen Ächtung abfinden müssen. Nach seiner Entlassung lebt Borkman beinahe vollständig isoliert zusammen mit seiner Frau auf dem Gut, das seine Schwägerin Ella Rentheim ihnen großzügig zur Verfügung stellt. Seit acht Jahren haben sich die Eheleute weder gesprochen noch gesehen.
In einer kalten Winternacht kommt die mittlerweile todkranke Ella unerwartet zu Besuch. Zwischen den Schwestern bricht ein unerbittlicher Kampf um Erhart, den einzigen Erben der Familie, aus. Gleichzeitig rechnen die Frauen mit John Gabriel Borkman ab – jede auf ihre Weise. Während vergangene Komplotte ans Licht gezerrt werden, bricht der Sohn gemeinsam mit seiner um einige Jahre älteren Liebhaberin Fanny Wilton sowie der hochbegabten Musikstudentin Frida Foldal in eine unbelastete Zukunft auf, in der Hoffnung, ihr Glück gemeinsam zu finden.

Die Regisseurin Daniela Löffner holt das Spätwerk des norwegischen Dichters aus dem Jahre 1896 in die Gegenwart. Sie zeigt, wie ein Finanzskandal eine Familie in den Abgrund reißt, und fragt nach dem Schuldbewusstsein, wenn Selbstlügen entlarvt werden.

Inszenierung
Kostüme
Licht
Dramaturgie

Pressestimmen

Südkurier Konstanz
Roland Müller, 30. Mär 24
… Großspurig steckt Matthias Leja – fiebrig, unrasiert, stechender Blick – in zu weiten Nadelstreifenhosen als schäbig gewordener, nicht mehr passender Restbestand untergegangener Herrlichkeit. Dazu gehört auch die Herablassung gegenüber Vilhelm, den Michael Stiller als treu unterwürfigen, zu John trotz allem aufblickenden Freund aus Kindertagen porträtiert. Sie beide liefern eindrucksvolle Charakter- und Beziehungsstudien ab, was … noch getoppt wird von der tollen Sylvana Krappatsch als Johns Ehefrau Gunhild. … so, wie Krappatsch sie zeichnet, weist auch die Dame des Hauses Spuren des alten, großbürgerlichen Milieus auf. Die Diva ist ein Nervenbündel … und sie rächt sich mit Koloraturen der Verbitterung, der Verachtung, des Hasses …

… Katharina Hauter [als todgeweihte Ella] spielt mit souveräner Gefasstheit den adäquaten Gegenpart zur virtuos verzappelten Krappatsch …

… psychologisch stringentes Schauspielertheater ... Fabelhaft!



Südwest Presse
Otto Paul Burkhardt, 25. Mär 24
… Stuttgart zeigt nun eine Bearbeitung, verfasst und inszeniert von Regisseurin Daniela Löffner. Ihre Korrekturen laufen darauf hinaus, dass den Frauen mehr berufliches Eigenleben zugeschrieben wird. … Egal, ob man derlei Bearbeitungen mag: Löffner macht es behutsam und belässt die Figuren in ihren schillernden Ambivalenzen. …

... Feine Graustufen statt Schwarzweiß. Sylvana Krappatsch zeichnet Gunhild mit viel innerer Glut unter der kalten Oberfläche, Katharina Hauter gibt Ella als empathische Weggefährtin. Die Männer? Kämpfen mit Schuld und Bedeutungslosigkeit und dürfen wie ewige Kindsköpfe mit Rennautos spielen. Glänzend Matthias Lejas Borkman zwischen Depression, Hoffnung und Hybris. Anrührend auch Michael Stillers Möchtegern-Dichter Foldal. Borkmans Sohn Erhart (Marco Massafra) gerät in dieser Albtraum-Umgebung zwischen die Fronten, ihm bleibt nur eins: der befreiende Sprung in ein eigenes, unabhängiges Leben.

… Löffner lockert das Psychotragik-Klischee mit Ironie auf. Ibsen als Boulevard deluxe: unterhaltsam und vielschichtig.
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Ludwigsburger Kreiszeitung
Uta Reichardt, 26. Mär 24
Bühnenbildlich stark umgesetzt ist die Abgeschnittenheit der Borkmans untereinander wie zur Außenwelt durch einen einzigen riesigen Raum, der mit Wänden und Decke aus quer und längs gestapelten Aktenordnern wie schallisoliert anmutet (Bühne: Fabian Wendling).
Auf und ab wandelt Borkman darin, den Wahnsinn stets in Reichweite: … mit hohlem Blick überragend umgesetzt von Matthias Leja. Jeden dieser enervierenden Schritte muss Ehefrau Gunhild, mal fahrig gestikulierend, mal wenig damenhaft und Pizza essend auf einer Art richterlichem Hochsitz, ertragen. Als nun Ella an einem Winterabend auf dem Gut erscheint, mit zerbrechlicher Verve von Katharina Hauter gespielt, bricht die unterschwellig brodelnde Familientragödie wie ein Vulkan aus. …

Am Ende ist von Borkmans machtbesessenem Despotismus nichts weiter übrig als Scham. Mehr gebrochener Mann als Teufel, fast naiv-kindlich, schmälert dies seine Schuld indes nicht, macht seine Figur aber vielschichtiger und seinen tiefen Fall umso deutlicher spürbar.
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Stuttgarter Zeitung
Nicole Golombek, 25. Mär 24
Die eindrucksvolle Bühne von Fabian Wendling besteht aus einem fensterlosen Raum in der Borkman-Villa – eine Kiste mit Wänden und einer Decke aus Aktenordnern. In denen heftet Borkman seine Recherchen ab, die seine Unschuld beweisen sollen.

… Sylvana Krappatschs Darbietung einer Frau [Gunhild Borkman], ganz personifizierter Vorwurf, fahrig in ihren Bewegungen, nach-tragend, selbstmitleidig … erbarmungslos in ihrem Willen, mit Hilfe ihres Sohnes Erhart ihre Reputation wieder zu erlangen, ist schon allein den Besuch des Abends wert.

Recht komische Szenen inszeniert Daniela Löffner, wenn die alte Generation – Ella, Gunhild, John Gabriel – den jungen Erhart mit absurden Wünschen überhäuft und Marco Massafras Erhart mit entgeistertem Blick auf die Alten schaut, seinen Dutt löst, die Haare schüttelt und verkündet, was er zu tun gedenkt – „leben!“. …
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Schwäbische Zeitung
Jürgen Berger, 04. Apr 24
... Dass sich seit Ibsen anscheinend doch einiges getan hat, liegt in Stuttgart vor allem an der Titelfigur. … Matthias Leja, Stuttgarts Borkman, ist ein durchaus sympathischer Kauz, der zwar Entlastungsmaterial sammelt und denkt, er könne sich mittels eines Revisionsverfahren rehabilitieren. Er ist aber, auch lernfähig und ein wundersam skurriler Mensch, der irgendwie weiterleben muss und sich in diesem „Weiter“ einigermaßen wohl fühlen will.
Der schwäbische Borkman schafft das immer dann, wenn die junge Pianistin Frida (Anne-Marie Lux) auftaucht und für ihn spielt.

… Taucht Silvana Krappatsch auf, ist allerdings Schluss mit Idylle. Krappatsch macht aus der Gattin Gunhild eine aus Prinzip verbitterte Frau. … Anderseits profitierte Gunhild aber von Borkmans Finanzeskapaden, also deutet Krappatsch an, dass diese Frau in puncto Reue auf Augenhöhe mit dem Gatten agiert. Im Panzer ihrer selbstgefälligen Verbitterung zeigen sich erste Risse. …
Ziemlich stark, wie Regisseurin Daniela Löffner dieses Spiel mit Lebenslügen in Richtung von Selbsterkenntnis weiterspinnt.
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Online Merker
Alexander Walther, 24. Mär 24
… Katharina Hauter als Ella Rentheim kann sich im Laufe des Abends mit ihrer wandlungsfähigen Rolle stark profilieren. … In [Löffners] Version durchlebt [Borkman] eine Phase, in der er seine Schuld eingestehen muss. Das unterstreicht Matthias Leja als Borkman ganz ausgezeichnet. Seine Seelenqualen wirken nicht aufgesetzt, sondern glaubwürdig. Es ist ein schonungsloser Läuterungsprozess, der hier offenbart wird. …

… Daniela Löffner macht in ihrer klugen Inszenierung deutlich, dass sich Borkman gegen das von Hofmannsthal beschworene Gesetz allen Handelns versündigt, was ihn schließlich in erschütternder Weise zu Fall bringt. …

… Gunhild ist nur daran interessiert, die Schande aus ihrer Familie zu tilgen. Daraus entwickelt sich während der Aufführung stellenweise eine atemlose Spannung. Die Entschlusskraft dieser unglücklichen Gestalten ist gebrochen. …

Lang anhaltender Schlussapplaus.
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