Siebzehn Skizzen aus der Dunkelheit (UA)
Schauspielhaus
Dauer - ca. 2:05 Std, ohne Pause
Premiere
Sa – 10. Jul 21
Sa – 10. Jul 21
Am Ende läuft es immer auf das Eine hinaus – Sex. Eine Frau trifft auf einen Mann, der wiederum auf eine Frau trifft, die auf einen Mann trifft. So reichen sie sich über die Szenen hinweg die Hände zu einem verführerischen Tanz.
1896 schrieb Arthur Schnitzler die zehn Szenen des Reigen und durchwanderte mit seinen Figuren alle Gesellschaftsschichten vom Proletariat bis zur Aristokratie. Schnitzler verhandelte die Mechanik von Machtverhältnissen, Erotik, Verlangen und Liebe und ließ seine Geschichten in einen Höhepunkt münden, der lediglich durch einen Gedankenstrich angedeutet wird. Das Stück wurde zu einem Skandal und lag bis in die 1980er Jahre unter einem von Schnitzler selbst verhängten Aufführungsverbot.
Roland Schimmelpfennig durchbricht die Struktur dieses Reigens, verleiht dem Tanz einen neuen Rhythmus mit einer heutigen Melodie. In der Dunkelheit begegnen sich zehn Figuren: ein Filmproduzent und eine Schauspielerin, ein junger Autor und ein Partygirl, ein Paar in einer offenen Ehe, eine Prostituierte und ein Soldat, ein Hotelmanager und ein Zimmermädchen. Schimmelpfennig lotet die Machtverhältnisse zwischen den Paaren neu aus, zeigt Abhängigkeitsstrukturen und alternative Beziehungskonzepte auf. Die schnitzlerschen Figuren begegnen uns im heutigen Gewand. Aus bloßen Gedankenstrichen werden Aktionen, mal explizit gewalttätig und übergriffig, mal Leerstellen, die der Fantasie überlassen bleiben, und mal Akte der Selbstermächtigung.
Uraufführung: Sa – 10. Jul 21
1896 schrieb Arthur Schnitzler die zehn Szenen des Reigen und durchwanderte mit seinen Figuren alle Gesellschaftsschichten vom Proletariat bis zur Aristokratie. Schnitzler verhandelte die Mechanik von Machtverhältnissen, Erotik, Verlangen und Liebe und ließ seine Geschichten in einen Höhepunkt münden, der lediglich durch einen Gedankenstrich angedeutet wird. Das Stück wurde zu einem Skandal und lag bis in die 1980er Jahre unter einem von Schnitzler selbst verhängten Aufführungsverbot.
Roland Schimmelpfennig durchbricht die Struktur dieses Reigens, verleiht dem Tanz einen neuen Rhythmus mit einer heutigen Melodie. In der Dunkelheit begegnen sich zehn Figuren: ein Filmproduzent und eine Schauspielerin, ein junger Autor und ein Partygirl, ein Paar in einer offenen Ehe, eine Prostituierte und ein Soldat, ein Hotelmanager und ein Zimmermädchen. Schimmelpfennig lotet die Machtverhältnisse zwischen den Paaren neu aus, zeigt Abhängigkeitsstrukturen und alternative Beziehungskonzepte auf. Die schnitzlerschen Figuren begegnen uns im heutigen Gewand. Aus bloßen Gedankenstrichen werden Aktionen, mal explizit gewalttätig und übergriffig, mal Leerstellen, die der Fantasie überlassen bleiben, und mal Akte der Selbstermächtigung.
Uraufführung: Sa – 10. Jul 21
Inszenierung
Bühne & Kostüme
Komposition
Licht
Dramaturgie
"Siebzehn Skizzen aus der Dunkelheit"
- Trailer am Schauspiel Stuttgart
- Trailer am Schauspiel Stuttgart
Audio-Einführung zu "Siebzehn Skizzen aus der Dunkelheit" gesprochen von Marco Massafra
"Schimmelpfennigs Qualität ist es, vieles im Vagen zu belassen - und doch Abgründe auszuleuchten und etwa fein die Blessuren abzustecken, die der Soldat im Kriegseinsatz erfahren hat. Dass dieser Abend grandios gerät, ist aber auch der exzellenten Inszenierung von Tina Lanik zu verdanken, die die Figuren nicht auserzählen will, sondern ihre profane Glückssuche in poetische Bilder taucht. … Auch schauspielerisch ist dieser Abend stark. Ein Glanzstück, wie Marco Massafra den übergriffigen Hotelchef gibt."
Zur vollständigen Kritik
"Das Stück von Schimmelpfennig [ist] sehr stark und auch sehr differenziert. … Wir haben diese Sexualität im Zeichen des Missbrauchs, aber es gibt eben auch die Sexualität, die im Zeichen der spätmodernen, individualisierten Gesellschaft reflektiert wird."
"[Die Szene zwischen dem Ehepaar Nina (Katharina Hauter) und Johannes (Matthias Leja)] ist eine sehr berührende, sehr bewegende Szene, die auch etwas ganz tief Existenzielles hat. Denn es geht auf der einen Seite um die Freiheit über den eigenen Körper, das ist die Position der Frau, und [auf der anderen Seite steht] der Mann, der zunächst einmal auch mit der Verantwortung für die gemeinsame Familie und den Lebensentwurf argumentiert."
Zur vollständigen Kritik
"Es geht Roland Schimmelpfennig darum, mit der Vorlage in kritischen Austausch zu treten, nach den Motiven hinter den Motiven zu fragen: Was treibt die Figuren eigentlich an? Und manchmal bricht aus einem oder einer förmlich heraus, worum es eigentlich geht: Um Würde und Freiheit."
Zur vollständigen Kritik
Zur vollständigen Kritik
"Es ist bekanntlich eine uralte Geschichte mit dem Sex und der Macht. Nicht zuletzt dank der israelischen Soziologin Eva Illouz wissen wir, dass Sexualität und Ökonomie in einem Spannungsfeld zueinander stehen. Und nicht zuletzt wegen der #MeToo-Debatte wissen wir mehr von missbräuchlichen Machtstrukturen im Alltag. Es gibt aber auch immer noch dieses vagabundierende Begehren, das sich weder für Worte noch für Moral oder Kapitalismus interessiert und sein Geheimnis weiter bewahren wird. Wenn die Inszenierung davon erzählt, wenn sie sich auf das konzentriert, was schon Schnitzler am meisten interessiert hat, … dann schafft sie einige starke Momente."
"Es ist sicher der absolut stärkste, wichtigste Teil des Abends, wenn der auch in dieser Rolle absolut souveräne Matthias Leja und die nicht minder souveräne, persönlichkeitsstarke Katharina Hauter zeigen, wie so etwas in jammernder Verzweiflung oder wüstem Gebrüll enden kann. Oder, wie in der dritten Version, mit dem nüchternen, leise gesprochenen, ehrlichen "Wir sind am Ende." Stark auch die Begegnung von Johannes mit dem jungen Mädchen Yasmina, der Paula Skorupa ebenfalls sehr viel Profil verleiht…"
"eine Aufführung, die durchaus bedenkenswert und vielschichtig auf die Diskussionen der Zeit eingeht und sich ihre eigenen Betrachtungen erlaubt"
Zur vollständigen Kritik
"Nina, gespielt von der grandiosen Katharina Hauter, will unbedingt gewinnen. Hauter muss Teile des Abends fast nackt spielen, anzüglich, sexy, kühl und überlegen sein. Aber immer wieder kippt das in eine Bedürftigkeit, in eine Erinnerung an den Beginn der Beziehung, die jetzt am Ende ist. Und die verleugnet wird. Das so hinzukriegen, das ist groß. So etwas gelingt [auch] … Sylvana Krappatsch, die als alternde Schauspielerin eine alternde Schauspielerin gibt: zuerst verführt sie, ganz Diva, den jungen Drehbuchautor. Dann buhlt sie beim Produzenten um eine Rolle, und mit jedem Satz wird sie wehrloser gegen dessen zynische Avancen. Am Ende reicht der Produzent Kleenex-Tücher. So viel Zynismus, aber auch so viel Wahrheit war lange nicht mehr in Stuttgart. Seltsam: die Führungskrise in Film und Theater, die einige zudringliche Chefs ja schon die Posten gekostet hat, ermutigt das gesamte Ensemble zu filigranen Charakterzeichnungen."
"Was die Regie ermöglicht, ist ein Fest des Ensembles."
Zur vollständigen Kritik
"Liebe ist nicht alles, aber ohne Liebe ist alles nichts. Das war schon bei Schnitzler so. Das ist so bei Schimmelpfennig. Und das ist vielleicht die Botschaft der Inszenierung von Lanik, die auf Schauspieler bauen kann, die die hohe Kunst der Andeutung (Skizzen) brillant umsetzen, empathisch, witzig, todtraurig, unschuldig, eklig, liebenswert, innerlich zerrissen, hemmungslos triebhaft. Wohl ein Theater, das so ein Ensemble sein Eigen nennen kann.
Ein Merkmal von Schimmelpfennigs Dramatik ist die "stolze Kargheit seiner Mittel", wie ein Kritiker ihn tadelnd rühmte. … Aber das ist vielleicht auch eine Stärke. … Die doppelte Schlichtheit seiner Charaktere erleichtert das Verstehen und macht sie – welch ein Paradoxon – zugleich rätselhafter. Das Einfache ist bisweilen kompliziert.
Die Kargheit der Mittel ist auch Programm der uneitlen Regie. Die Bühne bleibt leer, nur wenige Requisiten deuten Realität an …, das war’s schon (Bühne/Kostüm Stefan Hageneier). Lanik verzichtet auf technische Geschmacksverstärker wie Mikros oder Video und lenkt so die ganze Aufmerksamkeit auf den hochkonzentrierten Reigen der zaudernden zehn. Schnitzler hätte es (auch) gefallen."
"Und so ist in Stuttgart eine Harvey-Weinstein-Persiflage zu sehen, die allein schon deshalb grandios ausfällt, weil Tina Lanik die Figur mit einer Schauspielerin besetzt hat und Evgenia Dodina ein Produzenten-Verschnitt der schmierigen Klasse ist. Da aalt ein abgehalfterter Mann sich in der Hässlichkeit purer Machtausübung, und so wie Dodina das spricht, ist das so, wie es ist: schäbig und kümmerlich."
Zur vollständigen Kritik
"Schauspielerisch fordert Schimmelpfennigs Text das Stuttgarter Ensemble heraus. Die skizzenhaften Figuren, in denen der Autor die tieferen Schichten nur sehr sporadisch aufblitzen lässt, verwandeln die Spielerinnen und Spieler in griffige Porträts.
"Schimmelpfennig variiert die Reigen-Struktur leicht, knüpft die Szenen auch immer wieder lose aneinander an. So entsteht eine musikalische Dramaturgie, die sich in Cornelius Borgoltes Komposition schön spiegelt. Die schroffe Gefühlslandschaft, durch die Regisseurin Tina Lanik die Menschen in der Inszenierung peitscht, berührt das Publikum."
"Berührend wird hingegen ihre Einsamkeit und auch die Perspektivlosigkeit einer Generation gezeigt, die Freiheit nicht mehr zu definieren vermag. Ein Hotelzimmer folgenlos verwüsten – war es das schon?"
"… [ein] prägnante[s] Bild, das Schimmelpfennig zu zeichnen vermag und das Lanik mit einem großartigen Ensemble, in dem Schauspielerinnen wie Celina Rongen, Paula Skorupa und Katharina Hauter enormen Eindruck hinterlassen, ebenso schnörkellos zeichnet."
Zur vollständigen Kritik
"Highlight des Abends ist Paula Skorupas Darstellung einer Jugendlichen, die sich erst mit dem gehörnten Ehemann der One-Night-Stand-Frau in Kokslinien wälzt. Dann verletzlich ihre Einsamkeit offenbart. Und in der nächsten Skizze beides kombiniert beim unbeholfen-durchgeknallten Anbandeln an einen Drehbuchautor, von dem sie sich einen Job erhofft."
Zur vollständigen Kritik
"Es gelingt [Tina Lanik], einen tiefen Blick in erschreckende seelische Abgründe zu werfen. Das Unglück jedes Einzelnen wird geradezu seziert. Und es bleibt die Frage offen, ob diese Menschen angesichts der sexuellen Desorientierung überhaupt glücklich sein wollen."
Zur vollständigen Kritik