Die Ermittlung
Landgericht Stuttgart
Ab Klasse 10
Dauer – ca. 2:05 Std., keine Pause
Premiere
Di – 30. Sep 25
Di – 30. Sep 25
Zwischen Dezember 1963 und August 1965 fand in Frankfurt am Main der erste Auschwitz-Prozess statt, in dem die für das Funktionieren der Vernichtungsmaschinerie Verantwortlichen vor Gericht standen. Die Konfrontation mit den Frankfurter Auschwitz-Prozessen war für das Land und die Politik in den Sechzigern prägend. Peter Weiss hat in seinem dokumentarischen Theaterstück diesen Prozess dargestellt und zu einem „Oratorium“ verdichtet. In elf Gesängen treten Zeug*innen, Angeklagte, Richter und Verteidiger auf, die das, was in Auschwitz geschah, schildern. Täter und Opfer werden miteinander konfrontiert, und auf diese Weise wird, gerade durch den Verzicht auf die Rekonstruktion individueller Erlebnisse und die Betonung der funktionalen Aspekte, das Grauen dieser Tötungsfabrik deutlich. Berichtet wird ebenso von der totalen Entmenschlichung im Lager und dem Versuch zu überleben wie von dem Verschweigen, Leugnen und Verdrängen der Täter. Knapp zwei Jahre dauerte der erste Frankfurter Auschwitz-Prozess, bei dem Deutsche über Deutsche zu Gericht saßen. Peter Weiss nahm als Zuschauer an dem Prozess teil. Sein Theaterstück basiert auf den Protokollen des Prozesses. Die Ermittlung ist eines der erfolgreichsten deutschen Theaterstücke der Nachkriegszeit. 1965 wurde der Theatertext gleichzeitig an 15 west- und ostdeutschen Theatern sowie von der Royal Shakespeare Company in London uraufgeführt.
Die Ermittlung wird im Landtag und an weiteren Orten im Stadtraum gezeigt.
Die Ermittlung wird im Landtag und an weiteren Orten im Stadtraum gezeigt.
Content Note
Diese Inszenierung thematisiert die Verbrechen im Konzentrationslager Auschwitz und enthält detaillierte Schilderungen von Gewalt, Folter und Mord.
Inszenierung
Kostüme
Musik
Licht
Dramaturgie
… Erstmals wird dieses „Oratorium“ jetzt in einem deutschen Parlament gezeigt. …
… Die Inszenierung bewahrt den dokumentarischen Charakter des Textes, ganz so, wie von Weiss verlangt. Die Zeugen sprechen für alle, die überlebt haben. Nur einmal bricht einem der Darsteller die Stimme weg, und man weiß nicht genau, wem hier die Tränen kommen: der Figur oder dem Menschen. …
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… Das Schauspiel Stuttgart wählt dafür einen konsequent zurückhaltenden Weg. …
… Nun ist das wirklich erstaunliche Kunststück der Regie von Burkhard C. Kosminski, wie er das Spiel austariert hat. Einerseits spröde, ohne den Versuch einer Nachempfindung …, andererseits aber kein Vortrag, kein Deklamieren. Hier eine kleine Geste oder ein Augenblick der Verzweiflung, da ein regionaler Anklang, die Angeklagten nicht höhnisch lachend, aber doch minimalistisch feixend. Es gelang, sowohl eine Nähe herzustellen, Menschen zu zeigen, sich aber nichts von dem Leid anzueignen. In einer grauenhaften Situation muss man das dennoch feinsinnig nennen.
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… Es kann nicht ums Spielen gehen. Wie will man einen Wilhelm Boger „spielen“, der als Mitglied der Lager-Gestapo eine unfassbare Lust am Quälen und Töten entwickelte? Gábor Biedermann verkörpert ihn, gibt ihm winzige Nuancen einer aasigen Arroganz mit. Alle, die hier sprechen, vermeiden Pathos und Emotion, sprechen klar, sachlich, erschütternd objektiv. …
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… Indem die Inszenierung uns alle ins Parlament setzt … bilden [wir alle] als Besucher*innen des Stücks ein Kollektiv, im Mitleid genauso wie im Schrecken. Beim Applaus zeigt man sich daher einig. Beinah still und kurz ist er. Man hat großes Theater erlebt, durchaus. Aber eben auch ein Requiem, das einen noch lange danach schaudern lässt.
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In manchen Momenten hat die Inszenierung … etwas unangemessen Weihevolles. Als werde im Landtag eine Andacht zelebriert. In den besten Momenten allerdings kommt dieser meist nüchterne, absichtsvoll kunstlose und oft gerade deshalb erschütternde Zweistundenabend dem Ideal ziemlich nahe, das dem Autor Weiss vorschwebte, als er schrieb: „Nicht schweigen – das einzige Mittel gegen den sinnlosen Schmerz sind Worte, Bewusstsein, Gedächtnis.“
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… So wird eine Neuinszenierung der Ermittlung zu einer doppelten Erinnerung – an die Schrecken des nationalsozialistischen Terrors und an den (untauglichen?) Versuch, diese mit juristischen Mitteln zu „bewältigen“ –, indem sie unserer Gegenwart den Spiegel vorhält.
Burkhard C. Kosminski hat gut daran getan, sich für einen sachlichen Tonfall zu entscheiden. Die Darsteller sprechen, ohne große Gesten, stehend oder sitzend, vom Rednerpult oder von der „Regierungsbank“ aus. Auf einem erhöhten Podium thronen der Richter, der Nebenkläger und der Verteidiger in Talaren. Die Zeugen auf der einen und die Angeklagten auf der anderen Seite tragen zeitlose Alltagskleidung. Der Prozess findet im hell erleuchteten Saal statt.
Der Schwerpunkt liegt, anders als etwa in den Filmen von Marcel Ophüls, auf den Zeugen, also den Opfern, nicht den Tätern. …
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… Intendant Burkhard C. Kosminski, als Regisseur verlässlich texttreu unterwegs, lässt ganz in Weiss‘ Sinne die Schilderungen des KZ-„Alltags“ objektiviert und fast frei von emotionalen Tonfällen vortragen – was die beklemmende Wucht des Textes, die monströse Unvorstellbarkeit des industriell organisierten Massenmords umso deutlicher, erschreckender, vorstellbarer offenlegt.
Kosminski inszeniert minimalistisch. …
… Der Balanceakt der Regie, das Urteil im Weiss’schen Sinne dem Publikum zu überlassen, gelingt – dank des schauspielerisch zurückhaltend agierenden Ensembles. …
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… Nur Gabriele Hintermaier als manchmal ungläubig staunende Richterin, Sven Prietz als resignierender Ankläger und Christiane Roßbach als patriotische Anwältin haben durchgehende Rollen. Auf der Angeklagten-Bank überzeugt vor allem Gábor Biedermann als Boger, auf der Zeugen-Bank Katharina Hauter als Zeugin 5, wobei eine solche Hervorhebung ungerecht ist: Alle Beteiligten haben in ihrem Spiel wunderbare Momente. …
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… Im hell erleuchteten Plenarsaal im Landtag kann sich der einzelne Zuschauer nicht in sich zurückziehen, anders als im dunklen Theater. Diese Atmosphäre macht den Abend noch dichter, eindringlicher. …
… Das 17-köpfige Ensemble ist auf eine selbstverständliche Weise präsent. ...
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… hoffentlich öffnet … auch Julia Klöckner, die Präsidentin des Bundestags, ihre Pforten für das Stuttgarter Ensemble.
… Anke Schubert, die neben Katharina Hauter und Celina Rongen am eindrucksvollsten ihre Zeuginnenberichte artikuliert, zitiert einen der zynischen Lageraufseher: „Seht ihr den Rauch da hinten: Das sind eure Frauen und Kinder“. …
… Auf zwei großen Bildschirmen hinter den Schauspielern markiert jeweils das schrille, kreischende Geräusch einer Schreibmaschine den Übergang zum nächsten Kreis der Hölle, die Peter Weiss in seine „Gesänge“ fasst. …
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Und mit fortschreitender Dauer wächst die Einsicht: Doch, genau so muss es sein. So bürokratisch, so banal. Und immer grell erleuchtet vom Kunstlicht eines Sitzungsraumes statt einer schummrigen Theaterbeleuchtung, die den Besucher ja manchmal in der trügerischen Annahme wiegt, er sei vom Bühnengeschehen eigentlich gar nicht persönlich betroffen. …
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