Das Por­tal (UA)

von Nis-Momme Stockmann
Schauspielhaus
Ab Klasse 9
Dauer – ca. 1:50 Std., keine Pause
Uraufführung
Fr – 19. Jan 24
Das Theater pfeift aus dem letzten Loch. Generalintendant Geldoff kämpft wie ein Ertrinkender um seine Vertragsverlängerung. Nur ein großer Theaterabend könnte die Zukunft der Bühne sichern – und so setzt er alles auf eine Karte und engagiert einen erfolgreichen und teuren Jungregisseur, der mit dem Portal die Gunst der lokalen Kulturpolitik zurückgewinnen soll. Chefdramaturg Eisenstern hat derweil eigene Pläne. Denn er ist gerade dabei, einen Putsch zu planen, um das in seinen Augen fehlgeleitete Theater unter seine Führung zu bekommen. Und so zerren die beiden graue-Eminenz-artig an der Theaterproduktion. Aber das ist nur einer von zig kleineren, größeren (und allergrößten) Nebenschauplätzen in dieser schrillen Komödie. In der Wimmelwelt des Theaters denkt nämlich kaum jemand an etwas anderes als an sich selbst. Und so entgeht den in Kleinkriegen verstrickten Mitarbeiter*innen auch völlig, dass der immer mehr unter Druck geratende Geldoff im Kellergedärm des Theaters als letztes Mittel das Portal in die Untiefen der dämonischen Dionysien öffnet und so das Chaos vollendet…

Diese doppelte und dreifache Überdrehung aller Theaterklischees ist eine Hommage an das komplexe, oft paradoxe, schöne und grausame Gebilde „Theater“ als einen Ort, an dem das Streben nach dem Höchsten manchmal krachend mit dem Streben nach dem Niedrigsten kollidiert.

In dieser Produktion wird Stroboskoplicht verwendet.
Inszenierung / Bühne
Kostüme
Dramaturgie

Pressestimmen

Deutschlandfunk, Fazit
Björn Hayer, 19. Jan 24
Es ist ein bombastisches Feuerwerk, eine gigantische Parodie auf den Theaterbetrieb und darüber, wie man über Theater spricht, wie sich die Theatermacher selbst verstehen, wie sie mit dem Publikum interagieren und nicht zuletzt auch über all das, was wir zur Zeit am Theater reflektieren: Ist es zu woke, ist es zu elitär, ist es zu selbstzirkulär, ist zu viel Machtmissbrauch drin – all das wird durch eine gigantische Mühle des Klamauks gedreht. Es ist großartig.

… es ist alles ein großes Gewirbel, typisch Herbert Fritsch, muss man sagen, bunt, schrill – eine Kanone an Witz und an Effekten.
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Welt.de
Jakob Hayner, 20. Jan 24
Der Autor Nis-Momme Stockmann hat … ein Stück geschrieben, das in das Reich der Satiren gehört und sich der Gesellschaft eines Thomas Bernhard nicht schämen muss. Es ist eine flotte Komödie, die von der Bühnenpforte bis ins Herz der Finsternis führt: ins Intendantenbüro. Es zeigt die Odyssee eines Dramatikers, der das ärmste Schwein in diesem Zirkus der Eitelkeiten ist. …

Komödie plus Fritsch, das klingt nach dem perfekten Match. Und das ist es auch. …

Ein buntes Durcheinander, ganz ohne Video oder weiteres Bling-Bling. … Dieses Theater will weder die Welt abbilden noch entschlüsseln. Es ist eine Feier des Spielerischen. Was Fritsch an den Bühnenmitteln spart, lässt er seine Truppe ins Körperliche legen. Alles ist übertrieben und exaltiert, die Gesichtszüge und Gliedmaßen sind außer Kontrolle, die Stimme flattert durch die Tonhöhen. Wo kann man sonst noch frei und unbedrängt spielen? …

Allen voran tappt der grandiose Sebastian Blomberg als aufgeblasener und – Seile machen es möglich: im Wortsinn – abgehobener Theaterleiter. ...

Der ernste Kern von Fritschs "Geht's raus und spielt's Theater!"-Klamauk ist, dass das Spiel nur frei ist, wo es geschützte Räume hat. ... Solange diese Kraft zur Selbstkritik vorhanden ist, kann es einem um das Theater schon etwas weniger bang werden. Vor allem, wenn es so hübsch und unterhaltsam ist, wie "Das Portal" in Stuttgart.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung
Grete Götze, 23. Jan 24
Das Portal ist eine Komödie, eine schrille Persiflage auf den Theaterbetrieb selbst, und bei Fritsch kann man sich sicher sein, dass er das Publikum zum Lachen bringt.

Aber es geht nicht nur um Klischees, sondern auch um eine Reflexion über das Theater selbst, über Machtmissbrauch, die Legitimation von Theater in Zeiten knapper Kassen. Stockmanns Text ist lustig, intelligent, selbstreferenziell, schwachsinnig, ernsthaft, kitschig, größenwahnsinnig. …

Als Erster macht sich Sebastian Blomberg den Text zu eigen, den Fritsch zusammen mit der Livemusikerin und Künstlerin Charlie Casanova aus Berlin nach Stuttgart mitgebracht hat. Optisch an einen Stummfilm-Mephisto erinnernd, eröffnet er als Intendant Elias Geldoff in der Mitte der riesigen Bühne den Abend, indem er tänzelnd und überkandidelt einen Monolog über Schwellen von Türen in die Welt des Theaterbetriebs hält.

Köstlich, wie die junge Schauspielerin Henriette Ullmann (Celina Rongen) dem lüsternen Dramaturgen Friedenach (Peer Oscar Musinowski) und völlig unglaubwürdigen Gleichstellungsbeauftragten in einem naseweis-klugen Monolog auseinandersetzt, warum sie das Konzept der Gleichstellung als Erweiterung von Herrschaftsphantasien empfinde. ...

Der Abend wimmelt von Szenen, die man sich immer wieder ansehen könnte, weil Fritsch wie gewohnt aus den Schauspielern maximale Spiellust herauskitzelt und szenisch furchtlos mit den vielen abenteuerlichen Vorgaben des Textes umgeht …
Frankfurter Rundschau
Judith von Sternburg, 02. Feb 24
Herbert Fritsch zeigt Nis-Momme Stockmanns abgründiges Stück Das Portal bei der Stuttgarter Uraufführung als virtuosen, abgründigen Edelquatsch.

Das Portal ist ein Paradebeispiel für unwiderstehliche Selbst-bespiegelung, die aber Anschluss hat an die Gesellschaft und die von all jenen erzählt, die heutzutage einen Platz im Leben suchen oder ihn nicht wieder hergeben wollen, begreiflicherweise.

Im Zentrum und zugleich über allem schwebend (buchstäblich) der Intendant Elias Geldoff (Stockmanns Namen: handverlesen): Sebastian Blomberg in doller Aufmachung, aber ein zutiefst origineller Typ. Auch über seinen fulminanten Auftritt hinaus zeigen sich Individuen hinter den Fritsch-Witzfiguren, denen Bettina Helmi Kostüme auf Neopren-anzüge gemalt hat. Es entsteht eine Doppelbödigkeit, die zum niederschmetternden und zugleich selbstironischen Verlauf passt: Marco Massafra als schüchterner Autor oder Marietta Meguid als verbitterter Inspizient, Valentin Richter als Moderegisseur Emre Kusburnu. Fragen des Migrationshintergrundes werden mit aufgeregter Verlegenheit diskutiert, Stockmann kennt sich aus.
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die tageszeitung
Björn Hayer, 23. Jan 24
Schauen Sie doch nur, mit welch Verve der Regisseur Emre Kuşburnu, bravourös gespielt von Valentin Richter, einer ach so dilettantischen Schauspielerin den bühnentauglichen Verzehr eines Sandwichs erklärt (unbedingt den französischen Akzent auf der letzten Silbe ‚wichhhhhh‘ beachten!).
Immer wieder setzt sie neu an, vergeblich. … Der Hurz-Sound eines Hape Kerkeling ist unverkennbar! Schließlich haben wir es bei der Inszenierung von Nis-Momme Stockmanns Text Das Portal mit einer Betriebssatire zu tun, die in der bekannt schrillen Ästhetik Herbert Fritschs Drive aufnimmt. Also Vorhang auf, diesmal ein wirklich roter wie aus früheren Zeiten! Gewahr werden wir da einer Manege voller Narzissten, Dandys und Möchtegern-Genies.

Genau in jenen meisterlich überzeichneten Parodien macht sich die Dringlichkeit des Werks bemerkbar. Provokativ und mit stets leichtfüßiger Gebärde decken Fritsch und Stockmann die kleinen und großen Risse in der gläsernen Zivilisations- und Moraldecke des Theaters auf.

In dieser Groteske ausschließlich eine Finte auf das Theater zu sehen, griffe zu kurz. Denn Fritschs Setting versteht sich auch als allgemeingültige Reflexion über eine sich in Blasen und Echokammern abschottende Gesellschaft, eine, die den Blick nach außen sinnbildlich durch das Portal verlernt hat. Ihr raunt diese grandiose Premiere zu: Führt eure Diskurse, aber rüstet ab, beweist vor allem ein wenig mehr Mut zur Selbstironie. Alles andere wäre, um zum Schluss einer Figur das Wort zu geben, ähem, nur „prätentiös“.
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Südwest Presse
Otto Paul Burkhardt, 22. Jan 24
Ja, das Theater und sein alltäglicher Wahnsinn. Genau darüber hat Nis-Momme Stockmann, viel beschäftigter Autor, eine Satire verfasst. Regie führt Herbert Fritsch, Berliner Volksbühnen-Profi und Spezialist fürs radikal Komische. …

… in seiner aktuellen Satire über den Theaterbetrieb ist es denn auch die Figur des Autors, die einiges schlucken muss. … Stockmanns Stück jongliert, wenn auch nicht klischeefrei, zwischen bitterem Humor und brillanten Einfällen. Hinter allem verbirgt sich aber auch eine weitherzige Ironie, ja, eine Liebeserklärung ans Theater.
Und was macht Fritsch daraus? Er treibt das Ganze in die Farce. Das Theater als Intrigantenstadl … Das Theater, wie schon bei Stockmann angelegt, ist bei Fritsch eine Art Geisterhaus, ein Gruselschloss. …

Unmöglich, alle Partien des zwölfköpfigen, spielfreudigen Ensembles aufzuzählen. Grandios: Sebastian Blomberg als Gast ... der Theaterchef ... ist bei Blomberg ein begnadeter Selbstdarsteller, ein eitler Pfau, ein herumeiernder Populist.
Stark auch Sebastian Röhrle: Sein Chefdramaturg Eisenstern ist, schön bizarr überzeichnet, ein giftsprühender Mephisto, eine sinistre Horrorgestalt. … Wenn dann Celina Rongens mutige Henriette eine Brandrede über Männer mit „Machtfantasien“ hält, bekommt sie Zwischenbeifall vom Publikum. …

[Es] gelingt eine böse, doch irgendwie liebenswerte Satire, von der Regie mit viel Speed ins Bizarre verschärft. Der reale Intendant Burkhard C. Kosminski, mittlerweile bis 2029 verlängert, bleibt mit seinem Autorentheater auf gutem Weg.

Stuttgarter Zeitung
Nicole Golombek, 22. Jan 24
… quietschbunte(r) Abend mit gespenstischen Untertönen und einem fulminanten Zeremonienmeister …

Stets sind die Abende von Herbert Fritsch auch ein Kommentar über das Theater. Und nun, da das Theater im Theater selbst Thema des Stücks ist? Und der ironiebegabte, sprachverliebte Autor mögliche Kritikerkommentare – „tiefer Griff in die Theatermottenkiste“ … – schon selbst in den Text schreibt? …
Da stürzt sich Fritsch erst recht mit Wonne darauf. Fritsch, seit Jahren gefeiert für seine überkandidelt schrägen Inszenierungen, hat geliefert … [Er] treibt die Neurosen der Figuren auf die Spitze, alle im Ensemble müssen sich verrenken, grimassieren, niemand kann hier einfach nur von links nach rechts gehen. Man latscht, man trödelt und stolpert, viele sind mit Sprachfehler unterwegs. …

… der geniale Jungregisseur Emre Kuşburnu – Valentin Richter interpretiert ihn prima als übersensibel nölende Diva – [lässt] seinen Schauspieler Andreas zigmal das Abbeißen von einem „Sannn-wiiitsch“ wiederholen … und Christiane Roßbach [nagt] immer zittriger an der imaginierten Stulle – bitte kein Naturalismus! ….
Marco Massafra ist als schnell gekränkter und verdatterter Schriftsteller auch ein famoser Sparringspartner für den Höhepunkt des Abends …: Sein Treffen mit dem Intendanten Geldoff, interpretiert von … Sebastian Blomberg. Blomberg hatte als diabolisch raunender Zeremonienmeister- Intendant den Abend eröffnet. …

Klug spielen Stockmann, Fritsch und die Schauspieler Theaterpositionen gegeneinander aus. Hier das belehrende, Lokalpolitikerherzen erfreuende Theater. Da der nur auf „gesunde Zahlen“, volle Kassen und Unterhaltung „bis die Schwarte kracht“ setzende Boulevard. Das widerborstige Weder-noch, das gern noch mehr solch komödiantisch feine Momente haben dürfte, könnte eine gute Kunstidee sein.
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Ludwigsburger Kreiszeitung
Uta Reichardt, 03. Feb 24
Selten feiert sich der Mikrokosmos Theater mit solch exaltierter Wucht und kritisiert sich zugleich so abgründig wie in Herbert Fritschs Uraufführung von Das Portal. Das neue Stück von Nis-Momme Stockmann am Stuttgarter Schauspiel beschert Gefühlswechselbäder im Minutentakt.

… auf der Bühne [entfaltet sich] eine augen- und zuweilen ohrenbetäubende Satire auf den Theaterbetrieb, die jede einzelne der durchweg schrillen Figuren mit Perücken und künstlich bemalten Kostümen (Bettina Helmi) zu oberschrillem Handeln verleitet: Wie beispielsweise der spinnerte Nachwuchsregisseur Kusburnu (Valentin Richter), der mit einem übermotivierten Schauspieler (Christiane Roßbach) minutenlang das Abbeißen von einem Sandwich probt („Kau’ indifferenter!“), dazu die Stakkato-vibrierend schräge „Musiiik!“ von Charlie Casanova, die neben ihrer Rolle als Paketbotin für die fulminante Musikuntermalung am Piano verantwortlich zeichnet – das ist gelungene Bühnenkunst, die Spaß macht.
Überhaupt ist die schauspielerische Leistung beeindruckend, die bei Fritsch stets ins Spielerische, ja Akrobatische geht – die Figuren leben vor allem über ihren Körperausdruck.

Der Ausgang der Intrige und das titelgebende Portal, das erst gegen Ende der knapp zweistündigen Aufführung zur vollen Geltung kommt, sind letztlich zweitrangig. Sieht man über wenige Längen hinweg, bleibt Fritschs Inszenierung bis zum Schluss hochrangig komisch, schräg und herausragend aufdringlich ausagiert.
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Die deutsche Bühne
Manfred Jahnke, 20. Jan 24
Stockmann greift tief in die Kiste der Theaterklischees. Fritsch bedient diese mit Wonne und doch entsteht kein bloßer Klamauk-Die Aufführung hat einen ernsten Hintergrund: der Umgang mit dem Autor im Theater.

Die Menschen auf der Bühne tragen alle Perücken, die die Künstlichkeit dieser Figuren betonen. Die Kostüme von Bettina Helmi heben karikierend die einzelnen Berufsfelder hervor. Sie wirken wie Puppenkleidung, Taschen, Krawatten oder andere Accessoires sind appliziert, ein Narrenkostüm für die Musikerin ist auch darunter. Geschickt arrangiert Fritsch mit diesen bildnerischen Elementen ein körperbetontes Spiel … Die Bilder, die Fritsch findet, sind drastisch.

Running Gags bestimmen die Aufführung. Sebastian Blomberg als abgehobener Intendant kontrolliert in der Höhe schwebend unter Blitzen die Bühne. … Fritsch stimmt das spielfreudige Ensemble auf ein hohes Spieltempo ein. … Einen starken Auftritt hat Celina Rongen als junge Schauspielerin, die zum Vorsprechen erscheint und sich mit dem Autor solidarisch erklärt. Und nach ihren Erfahrungen eine Brandrede über die Männer am Theater hält.

Stockmann hat ein Stück voller Dialogwitz über die gängigen scheinintellektuellen Fachjargons geschrieben, ein Stück aber auch, das von der Farce in das Tragische abzustürzen droht. Fritsch hält diese Balance und erhöht damit die Komik.
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