Der große Wind der Zeit (UA)

von Joshua Sobol
Karten
https://www.schauspiel-stuttgart.de/ Schauspiel Stuttgart Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart
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So – 30. Jun 24, 19:30
https://www.schauspiel-stuttgart.de/ Schauspiel Stuttgart Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart
Schauspielhaus
Dauer – ca. 2:30 Std., eine Pause
In deutscher Sprache mit englischen Übertiteln
Uraufführung
Sa – 24. Feb 24
Karten
https://www.schauspiel-stuttgart.de/ Schauspiel Stuttgart Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart
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So – 30. Jun 24, 19:30
https://www.schauspiel-stuttgart.de/ Schauspiel Stuttgart Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart
Libby hat gerade ihren Militärdienst beendet und arbeitet als Verhörspezialistin für die israelische Armee. Aber sie hat den Teufelskreis von Gewalt und Repressalien satt. Als sie dem palästinensi­schen Studenten Adib begegnet und ihm näher kommt, nimmt sie sich eine Auszeit. Sie besucht ihren Großvater Dave in seinem Kibbuz in der Wüste. Dort stößt sie auf die Tagebücher ihrer Urgroßmutter Eva, die Anfang des 20. Jahrhun­derts nach Palästina kam. Hier gründete sie mit anderen jungen Leuten einen Kibbuz, in dem ihr Sohn Dave als Einziger immer noch lebt. Mit Evas Tagebüchern begibt Libby sich in die Vergangen­heit einer mutigen Frau, die Mann und Kind zu­rücklässt, um in Deutschland Tänzerin zu wer­den. Im Berlin der 1930er-Jahre lernt sie die Theaterszene um Bertolt Brecht kennen und wird mit dem aufkommenden Nationalsozialismus konfrontiert. Der große Wind der Zeit erzählt eine Familiengeschichte über vier Generationen, ver­woben mit den dramatischen Ereignissen der letz­ten 100 Jahre. Die Vergangenheit spiegelt sich in der Gegenwart und prägt schließlich die Zukunft.
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Musik
Choreografie
Dramaturgie

Pressestimmen

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Grete Götze, 01. Mär 24
Es war ein Risiko, den über 500 Seiten starken Roman Der große Wind der Zeit des israelischen Dramatikers Joshua Sobol heute auf die Bühne des Stuttgarter Schauspiels zu bringen. … Aber schon nach der ersten Szene entfaltet das Stück, das Sobol selbst vor zwei Jahren dramatisiert hat, eine unmittelbare Dringlichkeit.

„Ihr Großvater hat meine Großmutter vertrieben. Ihr habt uns ab 1949 nach Jordanien verjagt“, wirft Adib Libby vor. Und schon ist man mittendrin in der Frage, wer das Recht wozu hatte, nachdem Juden aus aller Welt vor den Nationalsozialisten nach Palästina flohen und der Staat Israel gegründet wurde.

Mit Libby und Adib stehen sich in Stephan Kimmigs Inszenierung Figuren gegenüber, die schon in dritter Generation einen scheinbar unlösbaren Konflikt miteinander austragen. … Zwischen den beiden entsteht eine Nähe. Doch sein Vorwurf der Vertreibung wiegt schwer.

… insgesamt ein kraftvoller Abend, dem es gelingt, beispielhaft Schlaglichter auf die Geschichte Deutschlands, Israels und Palästinas zu werfen, auf der Bühne nicht zu viel und nicht zu wenig zu zeigen, und dabei immer wieder zu berühren.
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Süddeutsche Zeitung
Christine Dössel, 05. Mär 24
Sobols Der große Wind der Zeit war lange vor dem Massaker der Hamas und den Gegenschlägen der israelischen Armee geplant. Jetzt ist es das Stück zum Krieg, auch wenn konkrete Bezugnahmen tunlichst unterlassen werden. Die denkt man schon selber mit. Ein Satz wie „Es gibt nur eine Wahrheit, aber jeder hat seine eigenen Lügen“, gesprochen von Libbys Großvater Dave, bekommt eine schmerzhafte Aktualität.

Das Theater hält [der Dramatiker und Regisseur Joshua Sobol] in seiner Möglichkeit, menschliches Dasein zu beleuchten und wichtige Fragen zu stellen, für die „ultimative Kunstform“ und das Publikum für ein „intelligentes Wesen“. Als solches hat er es mit seinen kritischen, meist faktenbasierten Stücken zur Geschichte und Gegenwart Israels immer wieder herausgefordert und sich die Feindschaft rechtskonservativer und orthodoxer Kreise zugezogen.

Der 84-Jährige hat [für die Zukunft] eine Vision: die Bildung einer „nahöstlichen Gemeinschaft“ nach dem Vorbild der EU, eine florierende Union der Länder Israel, Jordanien, Saudi-Arabien und Ägypten, mit der Option eines eigenen Palästinenserstaates. Zu utopisch? „Ich glaube daran“, sagt Sobol. „Die Alternative ist eine Katastrophe.“ Wie hat Adib zu Libby am Ende ihres Verhörs gesagt? „Alles ist möglich, und alles ist unmöglich.“
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Südwest Presse
Otto Paul Burkhardt, 26. Feb 24
In vieler Hinsicht … ein besonderer Abend. Vor allem, weil Sobols Text angesichts des jüngsten Terrorangriffs der Hamas auf Israel beklemmend aktuell wirkt. Und weil er das dröhnende Schweigen weiter Kulturkreise hier zu diesem Thema durchbricht. Doch schon allein der Fakt, dass der eigens angereiste Sobol, seit Ghetto (1984) ein weltweit gespielter Autor Israels, sich mit 84 Jahren nochmal der Bühne zuwendet, ist ein beachtlicher Coup des Stuttgarter Intendanten Burkhard C. Kosminski.

Sobols Story verschränkt die Geschichte der jüdischen Familie Chaimson mit dem Weltgeschehen. ... Der rote Faden bei Sobol: Libby tritt mit ihrer Vorfahrin in einen inneren Dialog, erkundet Evas Biografie, ihre Affären, ihre Flucht aus NS-Deutschland, ihre Aufbauarbeit in Israel.

Kimmig erzählt Sobols Jahrhundertepos eher leise, nachdenklich, unaufgeregt. Verzichtet auf illustrierende Klischees. Wie der Autor lässt er den Geschichten Zeit und viel Nachhall. Bezüge zu heute werden weder theatralisch verdoppelt noch besserwisserisch erklärt. Dass dennoch eine innere Spannung bleibt, ist auch ein Verdienst des Ensembles. Allen voran Paula Skorupas selbstbewusste Eva … Und Camille Dombrowskys coole, wache Libby, die zusammen mit dem palästinensischen Studenten Adib (Felix Strobel) die betonierten Narrative der Fronten hinterfragt und eine verborgene gemeinsame Familiengeschichte aufdeckt. Vielschichtig erzählt und ebenso inszeniert: starkes Theater, in dem kein einziger Tropfen Bühnenblut fließt – und das zum Überdenken selbstgewisser Positionen anregt. Viel Beifall für Autor, Ensemble und Regie.
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die tageszeitung
Sabine Leucht, 26. Feb 24
2021 ist das Buch [Der große Wind der Zeit] auf Deutsch erschienen. Es ist ein echter Schmöker, ein differenziertes Stück Geschichtsunterricht und ein Aufruf, die Kommunikation mit der „anderen Seite“ nie abreißen zu lassen. Die Stückfassung für das Schauspiel Stuttgart hat Sobol selbst erstellt …
Sie fokussiert noch stärker auf die drei Hauptfiguren, deren wichtigste nur über ihre Tagebücher in die Geschichte schwappt. Von dem Moment an, als Camille Dombrowskys Libby die Aufzeichnungen ihrer Urgroßmutter Eva entdeckt, steht sie in Stephan Kimmigs Urauf-führung von Der große Wind der Zeit unter Strom. …

Eva ist ein Orkan, nicht sonderlich sympathisch, aber man kommt schwer gegen sie an. Weder „das Lederjackett“ Bert Brechts … noch Evas Nazi-Lover, mit dem sie am 30. Januar 1933 Hitler sprechen hört. Danach warnt sie ihre Eltern, die die Warnung für zionistische Propa-ganda halten, geht zurück nach Israel und bewaffnet sich. …

Als solle nichts von der Geschichte ablenken, verzichtet Kimmig auf Props. … Der Spielraum gehört ganz Skorupa, die ihn bereitwillig füllt: Inklusive einer Ausdruckstanzeinlage zwischen Persiflage und Abstrak-tion.
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SWR2
Karin Gramling, 26. Feb 24
Man kann den Theaterabend am Schauspiel Stuttgart als Lehrstück über den Nahostkonflikt begreifen. Denn in Der große Wind der Zeit geht es um die Ursachen der endlosen Geschichte von Vertreibung, Terror und Mord. … – ein sehenswerter Abend.

Nervös, zweifelnd und suchend, so legt Camille Dombrowsky ihre Libby an, als eine Vertreterin der heutigen Generation. Sie geht in ein Zwiegespräch mit ihrer Urgroßmutter, als forsche und mutige Frau überzeugend gespielt von Paula Skorupa.
Eine Analyse der Situation, die auch die aktuelle Lage beschreibt, liefert schließlich Libbys Großvater: „Weißt du heute ist Verleugnung angesagt, man verleugnet die Realität und ist süchtig nach Betäubung, Infantilisierung, Gefühls- und Gehirnlähmung. Die Menschheit hat sich narkotisiert, die Alarmmechanismen sind blockiert. Man ist sediert und man wacht erst auf, wenn´s knallt.“
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Die deutsche Bühne
Thomas Morawitzky, 25. Feb 24
Am Anfang steht, was die Welt sich wünscht, mehr denn je im Jahr 2024: Eine Israelitin, und ein Palästinenser, beginnen, miteinander zu sprechen. … Libby, die israelische Verhörspezialistin. … Adib, der palästinensische Historiker. Felix Strobel hat hier früh schon einen starken Auftritt, berichtet aufgelöst, geschockt von der Gewalt: „Ich habe zwei Völker gesehen, die zu irrsinnigen, grausamen, niederträchtigen Bestien geworden sind.“

Ein weit gespannter Erzählbogen, der den Nahost-Konflikt von seinen Ursprüngen her erzählen möchte, zugleich die Machtergreifung der Nationalsozialisten, die Geschichte einer starken weiblichen Protagonistin, die Geschichte einer konfliktbeladenen Gegenwart, all dies ineinander gespiegelt – jedes Theaterstück sollte unter einer solchen Last zusammenbrechen. … Genau das aber geschieht hier nicht. Regisseur Stephan Kimmig lässt die Handlung immer wieder zu klaren Schlüsselszenen kristallisieren; hinzu kommt ein vorzügliches Ensemble. …

Bis zur Schlussszene … ziehen sich Gesten der Annäherung motivisch durch die Inszenierung, versuchen Menschen, miteinander in Kontakt zu treten, über Grenzen hinweg, auch die der Zeit.
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Südkurier Konstanz
Roland Müller, 29. Feb 24
In der Stuttgarter Uraufführung – in Israel traut sich derzeit kein Theater an das Stück ran – verzahnt der Regisseur Stephan Kimmig sehr geschickt die epischen mit den diskursiven Passagen des ein ganzes Jahrhundert überwölbenden Vier-Generationen- Dramas.

… Auf der Bühne dominiert das Grau des Militärs und der Wüste, aber keineswegs das Schwarzweiß der Scharfmacher auf beiden Seiten. Die Inszenierung ist zeitlos – und kommt doch zur rechten Zeit.
Der Klassikkritiker
Jörg Riedlbauer, 25. Feb 24
Der Uraufführungserfolg wurde neben der durchdachten Inszenierung von Stefan Kimmig und der situativ präzisen Bühnenmusik von Max Braun von einem großartigen Ensemble getragen, an der Spitze Camille Dombrowsky, die mit ihrer gezielt lakonischen Anlage der Libby an die Gestaltungskunst der jungen Barbara Sukowa erinnerte sowie Paula Skorupa als Eva, welche alle Facetten dieser vielschichtigen und schillernden, von „progressiver Weiblichkeit“ (Sobol) inspirierten Frauenfigur geradezu phänomenal auf den Punkt brachte. Die beiden männlichen Hauptrollen waren mit Felix Strobel (Adib) und Sebastian Röhrle (Dave) hervorragend besetzt.
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Schwäbische Zeitung
Jürgen Berger, 27. Feb 24
Der 7. Oktober 2023 … ist in der Uraufführung immer präsent, obwohl der aktuelle Gaza-Krieg in „Der große Wind der Zeit“ noch keine Rolle spielen konnte.

Die Eva der Paula Skorupa ist … ein kraftvoll zupackendes Energiebündel. Eine wie sie ist voll mit dabei, wenn die frühe israelische Kibbuz-Bewegung mit ihrem „Make love and state, not war and hate“ auf der Bühne so lustvoll abhebt, als sei das ein Prolog der Hippiebewegung aus den 1960er-Jahren.

… Auch in [der Berlin-]Passagen spielt Skorupa eine selbstbestimmte Frau, die einfach tut, was andere nie wagen würden: sich spielerisch vehement und intellektuell scharfzüngig ins Leben stürzen.
Immer sind da aber auch eine von ihrer Familiengeschichte verunsicherte Libby und ein nervös-neugieriger Adib, die sich näherkommen wollen, während Sobols herausfordernde Mehrgenera-tionentragödie von Stephan Kimmig so auf der Bühne verzahnt wird, dass auch die Zuschauer am Ball bleiben können, die den Roman nicht gelesen haben. Eine Herausforderung ist das schon, es sieht aber so aus, als sei es gelungen.
Ludwigsburger Kreiszeitung
Uta Reichardt, 26. Feb 24
… Regisseur Stephan Kimmig wiederum, zuletzt 2020 mit der wiederaufgenommenen Inszenierung von „Faust 1“ am Schauspiel Stuttgart, macht daraus ein … sehr sehenswertes Vier Generationen-Stück rund um zwei starke Frauenfiguren: Die junge israelische Verhörspezialistin Libby und ihre Urgroßmutter Eva – bravourös gespielt von Camille Dombrowsky und Paula Skorupa.

Spätestens im Berlin des heraufziehenden, bald allgegenwärtigen Nationalsozialismus, wo Eva sich – immer beobachtet von Libby –, erst mit „LJ“ alias „Leder-Jackett“ alias Berthold Brecht einlässt (Teresa Annina Korfmacher) und danach mit Nazi-Architekt Johann (wiederum David Müller), kommt die erstklassige Live-Musik von Max Braun – mal ein kaum hörbares Summen, mal harte Gitarrenriffs – in seiner offenen Chemise hoch oben im Betonbau voll zur Geltung.

… Der Weg ist also das Ziel – und dieser Weg, der große Wind der Zeit der zwei Lebensreisenden Libby und Eva, wird in Stuttgart stark in Szene gesetzt.
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Frankfurter Rundschau
Judith von Sternburg, 26. Feb 24
… auch nach dem 7. Oktober hat Dave nicht weniger recht, wenn er erklärt: „Jeder hat seine eigenen Lügen. ... Aber es existiert nur eine Wahrheit. Wenn wir uns begegnen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder halten wir beide an unseren Lügen fest oder wir teilen die Wahrheit.“ Glasklare Formulierungen, die nicht fürs Poesiealbum sind, auch wenn sie schön klingen, sondern für uns hier draußen in der Welt, in jeder Welt.

[Eva] ist so klarsichtig und illusionslos, dass einem auch das in den Ohren schallt: die in dieser Rolle einfach wunderbare, rücksichtslos energiegeladene – und außerdem großartig hingebungsvoll tanzende – Paula Skorupa, wie sie die in Wien lebenden Eltern immer wieder anschreit, dass die Nazis Bestien seien. Die Eltern wollen aber nicht weg aus Wien, können sich nicht vorstellen, dass die Deutschen kommen werden, können sich nicht vorstellen, in ein Wüstenland ohne Kultur zu ziehen.
Die junge Eva im Kibbuz, in dem noch freie Liebe und totale Gemeinschaft praktiziert werden: Das sind auch lustige Szenen …


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Heilbronner Stimme
Claudia Ihlefeld, 27. Feb 24
In der Regie von Stephan Kimmig widersteht die Adaption von Sobols 2021 auf Deutsch erschienenen Roman der Versuchung einer Aktualisierung angesichts des Krieges in Gaza: Doch der 7. Oktober sitzt dem Zuschauer im Nacken bei der Uraufführung im Stuttgarter Schauspielhaus und wird aufgeladen mit jedem Wort auf der Bühne wie unterm Brennglas.

Paula Skorupas Eva ist die dominante Figur in Kimmigs Inszenierung, lautstark, auch ironisch in durchaus komischen Nuancen. Etwa, wenn sie den drei Männern im Kibbuz eröffnet, dass sie schwanger sei, aber nicht wisse, von wem, und ihre verliebten Jungs wie begossene Pudel Eva alles Gute wünschen für Berlin. Erzählebenen und erzählte Zeit wechseln fließend … Die Episoden verdichten sich, zeigen auf, dass Liebe über Gräben Wege sucht, es viele individuelle Lügen, aber nur eine Wahrheit gibt. Apropos Brecht, den lernt Eva in Berlin kennen, nennt ihn kurz LJ – Lederjackett – und entlarvt ihn unerschrocken als bourgeoisen Macho, was sie nicht daran hindert, drei Tage später mit ihm zu schlafen.


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Stuttgarter Zeitung
Nicole Golombek, 26. Feb 24
Erschreckend hellsichtig erweisen sich der berühmte Theater- und Romanautor [Joshua Sobol] und das Staatsschauspiel Stuttgart. Intendant Burkhard C. Kosminski setzte die Dramatisierung des Romans viele Monate vor dem Terrorakt auf den Saisonspielplan des Stuttgarter Staatsschauspiels. …

Mit keinem Wort wird die aktuelle Situation während der zweieinhalbstündigen Uraufführung erwähnt, sie schreibt sich aber ins Bühnenbild von Katja Haß ein. Ein Hybrid aus einem Betonskelettbau, Panzer und einer Kommandozentrale.

[Camille] Dombrowsky und Felix Strobel verhören gemeinsam ihre Vergangenheit. Und sie spielen dieses Paar überzeugend: zwei, die wie elektrisiert wirken, einander suchen, aber letztlich Solitäre bleiben…

Camille Dombrowskys Libby ist eine junge Frau auf der Suche nach einer eigenen Identität, die mit jugendlichem Trotz auf die allzu große Fürsorge ihres politisch rechtsgerichteten Vaters reagiert. … Felix Strobels Adib ist ein kultivierter junger Mann, der Wut und Rachegefühle hinter einer Maske höflicher Zurückhaltung nicht immer verbergen kann. Entsprechend emotionsgeladen sind ihre Dispute darüber, welche Seite mehr Schuld auf sich geladen hat.
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Jüdische Allgemeine
Tomo Pavlovic, 29. Feb 24
Die Jungen, Adib und Libby, blicken in ihrer Naivität auf ein monströses historisches Erbe ihrer Ahnen. Doch sind sie Teil dieser brutalen Welt. So setzt Camille Dombrowskys Libby als schön dauergenervte, sich ständig durch die blonde Mähne fahrende Vertreterin der Generation Z jene Tradition tougher Frauen fort, die an einem maskulinen Ungenügen leiden und sich wutsprühend gegen die Apathie wehren. Da wäre etwa Libbys Vater, eigentlich ein rechter Politzyniker, der bei Kimmig an Testosteronmangel leidet. Gábor Biedermann spielt ihn zum Amüsement der Zuschauer mit Verve als Kleinbürger-Schlaffi mit panischem Blick. Anders als sein konturloses Söhnchen ist Libbys Opa Dave [Sebastian Röhrle] ein Hobbyrocker mit Kanten -und einer Harley Davidson, auf der er in die Wüste knattert. …

Der Regie gelingt es wunderbar, die Zeitebenen zu verschränken, mit historisierenden Kostümen (Anja Rabes) und live intonierter Begleitmusik (Max Braun) die komplexe Geschichte zu erzählen. …