Was ihr wollt

von William Shakespeare
Schauspielhaus
Dauer – ca. 2:10 Std., keine Pause
Premiere
Fr – 22. Sep 23
Zum Auftakt der Komödie fragt Viola: „Wie heißt dieses Land?“ Die von einem Schiffbruch Gerettete wurde an eine unbekannte Küste gespült. Fremd und allein ahnt sie noch nicht, auf welchen Boden sie ihren Fuß gesetzt hat. In diesem Land scheint alles möglich. Der Liebe sind keine Grenzen gesetzt. Jeder geht mit jedem eine Beziehung ein. Es herrscht wildes Begehren und Verführen, Liebesraserei und rauschhaftes Treiben. Zwar bekommt am Ende keiner den, den er am Anfang wollte, trotzdem gibt es ein großes Fest, als könnte dieser aberwitzige Trip, das Spielen mit Identitäten, Selbstbespiegelungen, Verkleidungen, Verwechslungen, Verirrungen und Verrücktheiten ein Happy End haben. Als würde nicht jeder nur sich selbst lieben – ohne sich je erkannt zu haben. Allein der Narr weiß mehr. Mit Skepsis sieht er dem Treiben der Verlorenen zu: Viola, die als Mann verkleidet ihren Zwillingsbruder sucht und in die Fänge Olivias gerät, Orsino, der unglücklich Verliebte, oder Malvolio, der von seinen Kumpanen verspottete Schwärmer. Illyrien nennt William Shakespeare dieses Land leichtfertigen Treibens, den Schauplatz seiner „dark comedy“. Nicht zufällig lautet der Originaltitel Twelfth Night; or What You Will. Denn in den zwölf Raunächten zwischen Weihnachten und Dreikönigstag feierten die Menschen ausschweifende, dem Karneval ähnliche Feste gegen das Grauen und die Ängste vor der winterlichen, der eigenen Dunkelheit.
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreografie
Dramaturgie

Pressestimmen

Stuttgarter Zeitung / Stuttgarter Nachrichten
Dorothee Schöpfer, 25. Sep 23
Die so witzige wie berührende Inszenierung von Shakespeares Klassiker Was ihr wollt im Schauspiel Stuttgart ist ein Theaterfest.

... Gehen Sie ins Theater! Die Inszenierung von Shakespeares Was ihr wollt im Schauspiel Stuttgart, vorgenommen von Intendant Burkhard C. Kosminski, hebt die Stimmung.
… Es sind nicht nur schnelle Gags, über die sich das Premierenpublikum … herzlich und ausgiebig amüsiert hat. Aber in dieser Inszenierung voller Witz und Spielfreude hat das glänzende Ensemble ausnahmslos gezeigt, wie viel komisches Potenzial in ihm steckt. Was für ein Vergnügen, dabei gewesen zu sein!

… (Anke Schubert) gibt eine grandiose Vorstellung als boshafter Schmarotzer im gräflichen Haushalt, der sich gemeinsam mit der Kammerzofe Maria (Christiane Roßbach, die ebenfalls ihr komisches Talent voll ausspielt) eine böse Intrige gegen den blasierten Hofmeister Malvolio ausdenkt.
Wie Matthias Leja, der den Malvolio spielt, erst als Karl-Lagerfeld-Verschnitt hochnäsig mit Parfüm um sich sprüht, um später im Liebesrausch der vermeintlich in ihn verliebten Gräfin mit anzüglicher Körpersprache zu demonstrieren, was für ein toller Hecht er sei – das hat Klasse und treibt einem Lachtränen in die Augen. Aber dass Leja den gebrochenen Hofmeister später auch als tief leidende Figur zeigt, die eben mehr ist als nur ein Hanswurst, gehört ebenfalls zu den Stärken dieser Inszenierung. Sie lässt bei aller Komik auch tief berührende und zarte Elemente zu.

... Felix Strobel (hält) als weiser Narr mit schnurrend bayerischer Intonation die Fäden in der Hand ... an diesem etwas über zwei Stunden dauernden Theaterfest. Er macht dabei eine extrem gute Figur.
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Südwest Presse
Otto Paul Burkhardt, 25. Sep 23
Felix Strobel wertet (den) Hofnarren kunstvoll auf, als Moderator, Seelentröster, Folterknecht und sogar als Troubadour, dessen Songs herben Charme verströmen. ...

Paula Skorupa zeigt Viola, die sich als Cesario verkleidet, als fragile Seele, die sich bald selbst nicht mehr in den amourösen Folgen ihrer doppelten Identität zurechtfindet. Und während Herzog Orsino (Peer Oscar Musinowski) sich als sensibler Poet geriert, stolziert die narzisstische Gräfin Olivia (Katharina Hauter) als Barbiepuppe im Reifrock über die Szene. … Grandios bis berührend: Matthias Leja als Haushofmeister Malvolio – im tiefen Fall vom arroganten Schnösel bis zur gedemütigten Kreatur.
Kurzum, Kosminskis Regie lebt von der Vielfalt der Register. Mit Spiegelwänden und Vorhängen verstärkt er das Verwirr- und Versteckspiel. … Das kipplige Hin und Her zwischen derb und poetisch, zwischen obszön und lyrisch, zwischen Klamauk und zarten Gefühlen funktioniert gut und schlägt Funken. Kosminski steuert ruhig durch, meidet verkrampfte Witzigkeit, plakative Erotik und besserwisserische Zutaten. Das Ensemble? Agiert lebensprall mit Volkstheater- Flair, mit wachem Sinn für Sehnsüchte und Abgründe. Viel Jubel und langer Beifall.
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Südkurier Konstanz
Roland Müller, 26. Sep 23
... 120 Minuten kurzweilige Minuten voller Komik ...

Was ihr wollt vereint virtuos verschiedene Formen der Komik: Situationskomik und Verwechslungskomik, Charakterkomik, Körperkomik, Sprachkomik. …
Wobei: mit Problemen, ziemlich ernsten sogar, geizt Shakespeare auch in seiner melancholisch grundierten dark comedy nicht. Dem Plot folgend, zeichnet der Regie-Intendant Burkhard Kosminski ihre verworrene Spur nach und entwirft mit Hilfe seines Bühnenbildners Florian Etti große, sinnfällig einleuchtende Bilder. Zum Beispiel mit Amors Pfeil: der Narr, den Felix Strobel zur heimlichen Hauptfigur macht, zu einem Verrückten, der eher ein Ver-Rücker ist und die andere Seite der Wahrheit zeigt, dieser kluge Narr schießt gleich zu Beginn den Vogel ab.

Wie Verkleidung und Verwechslung die Wahrnehmung täuschen, wie sie Gefühle und, mehr noch, Geschlechtsidentitäten ins Wanken bringen, offenbart die Inszenierung Schritt für Schritt. … Und dazwischen: zum Schreien komische Szenen mit dem niederen Komödienpersonal. Man lacht über sie, aber man verlacht sie nicht, anders als im Fall des lebens- und lustfeindlichen Haushofmeisters Malvolio. Ob ihres Lebenswandels will er das „Pack“ aus dem Haus jagen, aber die Buffo-Bande rächt sich am tollen Matthias Leja mit einem bösen Streich in dieser sehr geglückten Kosminski-Inszenierung, die Shakespeare gibt, was Shakespeare gebührt: das voll komische Leben in m/w/d.
Kultura extra
Thomas Rothschild, 16. Okt 23
Burkhard C. Kosminski ist ein durchweg überzeugender und unterhaltsamer Theaterabend geglückt. ... Man kann, wie bei allen Stücken Shakespeares, dem Text einen interpretatorischen Überbau auffrachten, kann einzelne Aspekte zu Lasten der Polyphonie überbetonen und sie heutigen Interessen unterordnen. Man kann aber auch einfach dem Theater geben, was des Theaters ist und wofür Shakespeare so viel mehr bereitgestellt hat als die meisten zeitgenössischen Dramatiker. Kosminski geht den zweiten Weg und entwirft dabei so etwas wie eine Enzyklopädie der Theatertricks, auf die zu verzichten an einen Magier ohne Zylinder, Kaninchen, Spielkarten und Seidentücher erinnert.

Kosminski hat mit dieser Inszenierung das Ensemble zur Hochform angetrieben. Noch ehe das angekündigte Stück beginnt, findet vor dem Vorhang ein Clownsspiel statt mit Maske, Kostüm und der Tücke des Objekts. Es ist Felix Strobel, der Narr aus Was ihr wollt und der eigentliche Star des Abends, der da seinen Jux betreibt. Paula Skorupa spielt die verkleidete, unglücklich in den Herzog verliebte Viola und deren Zwillingsbruder Sebastian, Katharina Hauter setzt alle Klischees der kapriziösen, standesbewussten schönen Frau ein, Matthias Leja schöpft die komischen Möglichkeiten Malvolios voll aus, Christiane Roßbach ist eine wunderbare, auf Klamauk aber verzichtende Maria, Klaus Rodewald verkörpert den gemeinhin als vertrottelt gespielten Andreas Bleichenwang ohne diese Zutat, und Anke Schubert ist der liebenswerteste Tunichtgut und Säufer der Dramengeschichte Sir Toby.
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Nachtkritik.de
Steffen Becker, 23. Sep 23
Am Schauspiel Stuttgart steht … die Melancholie, die dark comedy des Werks im Fokus: Menschen haben ihr perfect match vor Augen, verbringen ihre Tage mit dem Objekt der Sehnsucht, aber können nicht ihr wahres Geschlecht und/oder ihre wahren Gefühle offenbaren. Für Kosminski sind Shakespeares Figuren nicht von Konventionen befreite Menschen, die im freizügigen Illyrien ein paar Kinks ausprobieren. Sie sind Gefangene ihrer Rollen. …

Hier zahlt sich aus, dass der Moll-Ton der Inszenierung von den unvermeidlichen Kalauermomenten nicht überlagert wird. Die punktuelle Ruhe lässt Raum für Details. Gut so. Eine Szene wie zwischen Cesario/Viola und dem Narr (Felix Strobel) wäre in einer reinen Slapstick-Inszenierung sicher untergegangen. Gemeinsam pfeifen sie vom Bühnenrand, er durchschaut sie, sie führen ein warmes, nur halb-verdecktes Gespräch über Geschlechtsidentitäten. Und die Chemie knistert …

Überhaupt legt Regisseur Kosminski seinen Schwerpunkt eher auf die Nebenfiguren. … Der eitle Geck Malvolio … endet mit seinen unbotmäßigen Ambitionen auf die Gräfin in der Demütigung. Immerhin: Sein Darsteller Matthias Leja bekommt sowohl für die schrillen Hybris-Momente wie für die tiefe Verletztheit am Ende Szenenapplaus.
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SWR 2
Sophia Volkhardt, 23. Sep 23
Shakespeares frivole Verwechslungskomödie Was ihr wollt wird … von Intendant Burkhard C. Kosminski mal boulevardesk, dann wieder melancholisch abgründig inszeniert. Die Geschlechterrollen verschwimmen, in Bezug auf die Selbsterkenntnis wird auch dem Publikum der Spiegel vorgehalten. Bunt, verrückt und doch mit ernstem Kern: Grenzenlose Liebe ist oft nur Projektion.

… Kosminski setzt bei seiner Inszenierung auf ein zurückhaltendes Bühnenbild. Besonderer Clou: eine verspiegelte, teilweise semitransparente Wand, die das Spiel um Täuschung und Selbstwahrnehmung noch verstärkt. In mehreren Szenen sieht sich auch das Publikum selbst in dem Spiegel; wird sozusagen mit auf die Bühne geholt und mit sich selbst konfrontiert.

Es ist ein rasanter Trip – das Stück lebt vom Wechsel zwischen den boulevardesken Momenten des durch die Bank mitreißenden Ensembles, bei denen eine Pointe die nächste jagt – die größtenteils auch zünden - und den stillen Momenten der Erkenntnis.
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Ludwigsburger Kreiszeitung
Uta Reichardt, 26. Sep 23
(Das Stück) war und ist nun einmal zuvorderst eine muntere Verwechslungskomödie mit Happy End.
Umso wohltuender, dass die Inszenierung sich nicht auf den – wenngleich überaus amüsanten und gerade sprachlich sehr gelungen auf unsere Tage heruntergebrochenen – Slapstick-Anteilen ausruht, sondern ebenbürtig den melancholischeren Tönen Platz auf der Bühne einräumt. …

Überhaupt ist bei allen theoretischen Freiheiten und fehlenden Tabus, die dieses imaginäre Land Illyrien seinen in klassischem Weiß geschminkten Protagonisten zu bieten scheint, eben doch nicht alles möglich. Das durchschaut allerdings allein der Narr – formidabel gespielt von Felix Strobel: Zwar träumt jeder von ihnen beständig von Liebeleien, doch am Ende bekommt kaum einer, wen er anfangs wollte, was wiederum gefeiert wird. Ganz schön zweischneidig also …

Alles in allem ist Was ihr wollt ein kurzweiliger, nie oberflächlicher Schmaus für Augen und Ohren und Cesarios Wunsch – „Zeit, das musst du selbst entwirren“ – geht am Ende tatsächlich auf. So, wie die Zuschauer es wollen.
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