Italienische Nacht

Volksstück von Ödön von Horváth
Schauspielhaus
Dauer – ca. 2 Std, keine Pause
Wiederaufnahme
Spielzeit 2021/22

„1930-?, in einer süddeutschen Kleinstadt“, so Horváths Angaben zum Stück. Im Wirtshaus Lehninger bereitet sich die Ortsgruppe des republikanischen Schutzverbandes auf ihre „italienische Nacht“ vor. Und Ortsvorstand Stadtrat Ammetsberger will sich das festliche Beisammensein mit Tanz und Gesang von keiner Seite vermiesen lassen. Weder von den Faschisten, die zeitgleich ihren „deutschen Tag“ mit einem Aufmarsch in der Stadt und einer militärischen Nachtübung begehen. Noch von dem jungen Genossen Martin, der vor der braunen Gefahr warnt und seinerseits zur Bewaffnung aufruft.
Er fordert seine Freundin Anna auf, die Pläne der Faschisten auszuspionieren, und schickt sie damit „auf den politischen Strich“, wie ihm sein Freund Karl vorhält, der selber die italienische Nacht nutzt, um die unpolitische Leni zu verführen. Martin kündigt Karl die Freundschaft. Für ihn ist er nur ein „halber Mensch“, weil er politisch unzuverlässig ist und ständig mit seiner Erotik in Konflikt gerät. Da erscheint Anna mit der Nachricht, dass die Faschisten im Anmarsch sind, um die italienische Nacht zu sprengen und die Herren Republikaner zu verprügeln.
In seinem 1931 uraufgeführten politischen Volksstück beschreibt Ödön von Horváth (1901 bis 1938) die Blindheit der demokratischen Kräfte vor dem aufziehenden Nationalsozialismus. Er erzählt von ideologischen Kämpfen der Jungsozialisten, saturierten Parteibonzen („draußen Prolet, drinnen Kapitalist“) und einer bürgerlichen Welt, hinter deren gemütlicher Fassade sich Herzenskälte und Bestialität verbergen.

Premiere: Sa – 21. Sep 19
Inszenierung / Bühne
Bühne
Helen Stichlmeir
Kostüme
Korrepetition
Sebastian Neugebauer, Aleš Vitek
Licht
Sebastian Isbert
Dramaturgie

Pressestimmen

Stuttgarter Nachrichten
Nicole Golombek, 23. Sep 19
"Bieito erweist sich als Regisseur, der auch im Detail genau arbeitet. Und den Witz ausspielt, der in der Charakterschwäche der Figuren zu finden ist. Er verordnet den Schauspielern … beredte Pausen, setzt auf vielsagende Blicke, Gesten. So werden aus groben Typen vielschichtige Charaktere."

"Ansonsten verweigert Bieito klug jegliches Identifikationsangebot. … [Er] zeigt mit seiner zweistündigen beeindruckenden Regiearbeit eine Komödie in der großen Tragödie und hebt die ewig gültige Aktualität des Stückes hervor, das jetzt vielleicht noch heutiger ist denn je."

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Frankfurter Rundschau
Judith von Sternburg, 24. Sep 19
"[Das] Stück zur politischen Stunde und dazu noch in einer äußerst überzeugenden Inszenierung"

"Die Szenen zwischen den beiden [Peer Oscar Musinowski als Karl und Nina Siewert als Leni], er so verlegen, verwirrt, triebhaft, aber auch motzig, sie so keck und neusachlich, sind darstellerisch kleine Diamanten. Das Ensemble und die hervorragend mitgehenden Statisten wirken überhaupt dermaßen sicher, am Platze und auf Draht, dass die Zeit verfliegt."

"Stück und Inszenierung sind durchaus bereit, das Publikum in die Nacht hinaus zu verfolgen. Sowohl politisch als auch beispielhaft dafür, was Theater einfach kann, selbst wenn es nichts geholfen hat und nichts helfen wird."

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DIE ZEIT
Peter Kümmel, 02. Okt 19
"Horváths Volksstück gilt in diesem von mulmigen Wahlen im Osten überschatteten deutschen Herbst als "das Stück der Stunde", und es fällt auf, dass der katalanische Regisseur Calixto Bieito … es erstaunlich falb und sachlich spielt: als sei Vergröberung der Gesichter ins Fratzenhafte in diesem Fall kontraproduktiv. Er will, dass wir uns in diesen Figuren wiedererkennen, statt sie bloß zu verachten."
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Theater heute
Jürgen Berger, 24. Sep 19
"Bieito überrascht mit einer Inszenierung, die Horváths dialektale Kunstsprache aushorcht. Er nimmt sich Zeit, verzichtet auf Aktualisierungen und er entrückt die Inszenierung auch nicht in ein historisches Nirwana. Die Stuttgarter "Italienische Nacht" ist ein starkes Stück Theater, weil Bieito den Dialogen des Stücks und einem Ensemble vertraut, das auch dann mit intensivem Schauspiel aufwartet, wenn es um eine der Pausen geht, die Horváth so wichtig waren."
Süddeutsche Zeitung
Egbert Tholl, 27. Sep 19
"Bieito arbeitet extrem präzise, vertraut auf die Kraft der Analogie."
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Südwest Presse
Otto Paul Burkhardt, 23. Sep 19
"Kein Naturalismus, kein Dialekt, keine "Milljöhbilder" – Bieito verfremdet die Volksfest-Gemütlichkeit durch subtile Stilisierung. Wenn zwei anbandeln, steht alles andere still. Er zoomt die Dialoge ganz nah ran und erzielt so eine Tiefenschärfe ohnegleichen."

"Kurzum, ein starker Saisonstart. Horváth ohne übliche Klischees, entrümpelt, kristallklar inszeniert."

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Nachtkritik
Verena Großkreutz, 21. Sep 19
"Bieito hat Horváths Text gemeinsam mit dem Ensemble sehr genau auf seine Doppelbödigkeiten, seinen Rhythmus und seine Leerstellen abgeklopft und entsprechend präzise in Szene gesetzt. Ein darstellerisch großartiger Abend...."
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Ludwigsburger Kreiszeitung
Arnim Bauer, 23. Sep 19
"Fulminanter Spielzeit-Start"

"Calixto Bieito hat eine sehr realistische Inszenierung geschaffen, die aber die von Horvath sehr plastisch und exemplarisch gestalteten Figuren in aller Tiefe auslotet. … Vor allem aber setzt er auf sein Ensemble. ... Im Mittelpunkt steht dabei einmal mehr Elmar Roloff. Im Frühsommer zum Staatsschauspieler ernannt, zeigt er in der Rolle des Stadtrates einmal mehr sein unglaublich breites Repertoire an Möglichkeiten, seine Vielseitigkeit, seine differenzierte Schauspielkunst und sein Feingefühl für seine Rolle und den Charakter seiner Figur."

"Aber eigentlich kann man alle anderen Beteiligten auch hervorheben, da gibt es keine Schwachpunkte, das ist einfach eine großartige Ensembleleistung, die mitreißt, die Spannung erzeugt, die das Stück ernsthaft, aber gleichzeitig unterhaltend macht."

Stuttgarter Zeitung
Roland Müller, 23. Sep 19
"Das "Volksstück in sieben Bildern" bringt der spanische Regisseur mit großem Ernst und hoher Dringlichkeit auf die Bühne …. [Er] inszeniert … streng am Text entlang, sehr pur, sehr demütig und unter weitgehendem Verzicht auf Mätzchen, weil er an die Kraft des Stoffes glaubt, der keiner Aktualisierung bedarf."

"Paula Skorupa spielt diese Anna – und die Stadien ihrer Selbstaufopferung durchläuft sie mit einer Intensität, die ans Herz greift."

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SWR2
Karin Gramling, 23. Sep 19
"Bieito bleibt mit seiner Inszenierung ganz nah am Original von 1931. Mehr braucht es gar nicht, denn die aktuellen Bezügen stellen sich automatischen in den Köpfen ein. … Schauspielerisch ist die Inszenierung sehr gelungen umgesetzt, dazu choreografiert Regisseur Bieito das Stück grandios. … Der stärkste Moment kommt, als die Faschisten das Fest schließlich erstürmen. Wie sie sich da vorne an der Rampe aufbauen und mit Inbrunst "Die Wacht am Rhein" schmettern, das schreckt auf. Geradezu bedrohlich überrollt das von den Nationalsozialisten instrumentalisierte Lied den Zuschauersaal."
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Mannheimer Morgen
Monika Köhler, 24. Sep 19
"Unter Bieito wird die "Italienische Nacht" zum Stück der Stunde. Die parteiinternen Querelen und die Trägheit der Verantwortlichen zeichnet Bieito mit klaren Bildern und sorgt mit Sprechchören für gruselige Gänsehaut. Dabei gerät manches allerdings zu plakativ. Dennoch ist das intensiv und dicht inszeniert, lässt aber auch Raum für Szenen und Dialoge, die nachwirken…. Auch gelingt es Bieito meisterhaft, den dem Stück innewohnenden Humor einzusetzen…."
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Heilbronner Stimme
Claudia Ihlefeld, 01. Okt 19
"Calixto Bieito, dem Stuttgarter Publikum auch als bildmächtiger Opernregisseur bekannt, erweist sich als scharfer Beobachter von Horváths Figuren. Diese Figuren wiederum werden vom Ensemble so fein und in ihrer Tragik dringlich, aber unaufdringlich spielerisch umgesetzt, dass es eine Freude ist, allen zwei szenisch dichten Stunden ohne Pause zuzusehen."

"[Horváths Kosmos] scheint uns im Verlauf dieses packenden Abends immer vertrauter in seinen Abgründen: mit seiner beklemmenden Atmosphäre und dem präzisen Spiel voll beiläufiger Gesten, Wortwitz und beredten Pausen."

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Faust Kultur
Walter H. Krämer, 20. Dez 19
"Gemeinsam mit dem Ensemble hat der Regisseur den Text sehr genau auf seine Doppelbödigkeiten, seinen Rhythmus und seine Leerstellen abgeklopft und entsprechend präzise in Szene gesetzt. Und er vertraut bei seiner Inszenierung ganz auf mündige und wissenden Zuschauer, die sich ihre eigenen Gedanken machen, Zeitbezüge erkennen und diese herstellen können."

"Abgesehen von den Statisten sind alle Schauspieler immer auf der Spielfläche anwesend. Dabei erfolgen die Interaktionen auf vielfältige Weise: durch Dialoge, vielsagende Blicke, Gesten, beredtes Schweigen, Gesten und Haltungen. Und immer wieder treten Pausen und Stille ein. Hierbei hat der Regisseur detailgetreu gearbeitet. Es ist erkennbar, mit wieviel Freude und Genauigkeit die Spieler diesen Vorgaben folgen und den jeweiligen Figuren Charakter verleihen."

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Junge Welt
Mesut Bayraktar, 24. Sep 19
"Der katalanische Regisseur Calixto Bieito hat diese Struktur treu nach der Gebrauchsanweisung des Autors in "Italienische Nacht" umgesetzt: Mit Witz, Ernst, Klarheit, Geschmack und vor allem Unbehagen. In seiner Inszenierung am Stuttgarter Schauspiel zeigt er, dass der Mensch erst durch die Sprache lebendig wird. … Schauspieltheater durch und durch."
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Deutschlandfunk Kultur "Fazit"
Rainer Zerbst, 21
"So belässt [Bieito] das ganze Spektrum, das Ödön von Horváth in diesem wunderbaren Text uns vorführt, und überlässt uns – und das ist auch ein Hut-Ziehen vor dem mündigen Publikum –, uns unsere in dem Fall politische Reaktion darauf zu bilden."

"Es ist ein Theater der Schauspieler. … So gesehen haben diese Schauspieler – und wir haben wunderbare Schauspieler in Stuttgart – allesamt ein wunderbares Theater abgeliefert."

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Rhein-Neckar-Zeitung
Heribert Vogt, 23. Sep 19
"Die vielen Darsteller, Musiker und Gesellschaftsmitglieder bieten ein Theater im Großformat, das in Sprache und Rollenzeichnung gleichwohl sehr differenziert daherkommt. Der Spanier Bieito führt mit seinem aktuell aufgeladenen Theatercocktail offensiv mitten hinein in die problematische Geschichte der Deutschen, denen schon immer mehr Gefühlsduselei als politische Wachheit attestiert wurde."
Südkurier
Johannes Bruggaier, 23. Sep 19
"Bieito inszeniert das alles ganz nah am Text, spitzt allenfalls manche Verlogenheit noch mehr zu …. Damit stellt er die geradezu atemberaubende Aktualität dieses fast 90 Jahre alten Stücks in schönster Klarheit aus. Elmar Roloff gibt in herrlich konsequenter Selbstgefälligkeit das Musterbeispiel eines Politikers, der sich als väterlicher Beschützer geriert und doch als Erster umfällt, wenns ernst wird. Christiane Roßbach lässt im überraschend mutigen Auftritt Adeles eine innere Logik aufscheinen: Wer immer nur gedemütigt wird, hat am Ende auch am wenigsten zu verlieren. Und David Müller überzeugt in der Rolle des Martin als jugendlicher Hitzkopf."
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Kultura extra
Thomas Rothschild, 01. Okt 19
"…der autoritäre republikanische Stadtrat, dargestellt von einem überwältigenden Elmar Roloff…"

"Bieito stellt Momente des Stillstands, die wie Geisterarrangements wirken, langsamen Bewegungen gegenüber, das Reden dem Schweigen, die Vordergrundhandlung dem statischen Hintergrund. … Das eigentliche Wunder dieser Aufführung ist, wie nach nur einer Spielzeit die von Armin Petras übernommenen Schauspieler mit den von Burkhard C. Kosminski mitgebrachten Neuen zu einem homogenen Ensemble zusammengeschweißt wurden. Das ist nicht selbstverständlich. … So ist denn ein Abend zustande gekommen, bei dem sich die leidige Alternative von Regie- und Schauspielertheater erübrigt."

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dizekultur.de
Dietholf Zerweck, 23. Sep 19
"Der katalanische Regisseur Calixto Bieito versagt sich in seiner Inszenierung jegliche naheliegende Aktualisierung – und verstärkt dadurch die Brisanz des Horváthschen Dramas. Wenig gekürzt im Originaltext, höchst sorgfältig in der Struktur der Dialoge ("Stille"!), vertraut Bieito ganz der Profilierung der Figuren durch Horváths pseudorealistischen Alltagsjargon, und bringt zur Spielzeiteröffnung ein hervorragendes Ensemble auf die Bühne des Stuttgarter Schauspielhauses. Mit Elmar Roloff … hat er als Stadtrat und Ortsgruppenvorsitzenden einen leicht apathischen, schwer zu erschütternden Protagonisten."
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Kulturblog
Rainer Zerbst, 24. Sep 19
"Horváth zeigt eine politische Gruppierung, von der die Zukunft des Staates abhängen soll, in Auflösung und Zerstrittenheit, und Bieitos Schauspieler charakterisieren die Parteimitglieder mit grandioser Eindringlichkeit und Genauigkeit. … Christiane Roßbach und Paula Skorupa gestalten grandios Charaktere zwischen Unterwerfung und eigenständiger moralischer Standfestigkeit."

"Das ist ein Theater großer Dramen- und subtiler Schauspielkunst, wie man es heute kaum noch erlebt, das den Zuschauer in seiner Mündigkeit ernst nimmt, weil es ihn zur eigenen Positionierung aufruft. Wie man sieht, funktioniert es, wenn man es wie das Stuttgarter Ensemble unter Bieito beherrscht."

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