Iwanow

nach Anton Tschechow
in einer neuen Bearbeitung von Robert Icke
Deutsch von John Birke
Schauspielhaus
Dauer – ca. 2:10 Std, keine Pause
Wiederaufnahme
Spielzeit 2021/22

Nikolas lebt mit seiner Frau Anna in einer Provinzstadt. Gelangweilt von der Gegenwart und vereinsamt in seiner Ehe, ist er sich selbst ein Rätsel. Anna ist Jüdin, die für ihren Ehemann zum Christentum konvertierte und daraufhin von ihren Angehörigen verstoßen wurde. Lieben kann Nikolas sie längst nicht mehr, und selbst als er von ihrem Arzt erfährt, dass sie unheilbar erkrankt ist – was die beiden ihr verheimlichen –, fühlt er sich nicht verantwortlich. Nikolas versteht nicht, was mit ihm vorgeht. Anstatt seiner Frau beizustehen, flieht er ihre Gesellschaft und verbringt die Abende immer öfter bei seinen Nachbarn, wo sich die junge Sascha in ihn verliebt. Als diese ihm ein neues Leben verspricht, wächst in ihm ein unbestimmtes Schuldgefühl, das ihm den Glauben an die Zukunft nimmt.
Im Russischen ist Nikolaj Iwanow ein Allerweltsname. Bei Robert Icke wird er zu Nikolas Hoffmann. In seiner Bearbeitung bringt Icke Tschechows Figuren in die Gegenwart. Dabei bleiben sie Gefangene einer Zwischenzeit, die spüren, dass etwas ohne ihr Zutun zu Ende gegangen ist und etwas Neues sich seinen Weg bahnt, dem sie aber nicht mehr angehören werden. Nikolas ist ein gescheiterter Intellektueller. Zu getrieben für das Alltägliche, aber zu träge für das Außergewöhnliche, quält ihn die Frage: Wohin mit mir.

Premiere: So – 17. Nov 19
Inszenierung
Kostüme
Wojciech Dziedzic
Video design
Tim Reid
Sound Design
Joe Dines
Dramaturgie

Pressestimmen

Deutschlandfunk Kultur heute
Cornelie Ueding, 18. Nov 19
"Wer hätte gedacht, dass in Tschechows tieftraurigem Stück über die sterbende Anna und ihren bindungs-, halt- und gefühllosen Mann eine veritable Komödie steckt: Eine Komödie mit finalem Rettungsschuss und einem starken Schuss schräger Klamotte."

"Nervige Selbstbezichtigung wechselt mit verbiestertem Überlebenswillen und hochmütiger Abkehr. Und Benjamin Grüter als Stuttgarter Iwanow spielt jede Nuance aus und liefert zugleich ein komplettes Szenarium der Widersprüche…."

"Die ebenso kluge wie leichtfüßige Regie ... nimmt dem Stück jede pathetische Wucht und Schwere und erlaubt es den brillanten Stuttgarter Schauspielern, alle Varianten von Tristesse bis zur Klamotte zu entfalten. Jede Szene steuert auf den emotionalen Kipppunkt zu, und unter allen Figuren öffnet sich ein doppelter Boden. … Icke zeigt, dass dieser Egomane ein Jedermann ist, und mit seinen vehement betriebenen Ausbuchsversuchen letztlich nur schlichte Klischees bedient, die uns allen glatt von der Zunge gehen. … Und so finden sich die hingerissenen Zuschauer an diesem überraschenden Abend wie in einem Spiegelkabinett ihrer selbst wieder."

Frankfurter Rundschau
Judith von Sternburg, 20. Nov 19
"Hart, böse und nachher ins Boulevardeske komödiantisch gestaltet…"

"Nikolas Hoffmann ist ein mit sich selbst äußerst erfahrener Depressiver. … Icke lässt nun recht unterhaltsam vorführen, wie man so noch eine ganze Weile weitermachen kann, bis man nicht mehr weitermachen kann. Benjamin Grüters Verschlossenheit, das Gegenteil von dem, was ein Schauspieler normalerweise tut, gibt ihm eine ungemütliche Unverbindlichkeit dem Leben und dem in diesem Fall damit einhergehenden Bühnengeschehen gegenüber."

"Gezeigt werden keine Karikaturen, aber doch Typen. Die Perspektive bleibt quasi bei Nikolas, der niemanden mehr leiden, höchstens die junge Sascha noch ertragen kann, Nina Siewert, die unter Älteren und Alten wie von einem anderen Stern erscheint. Auch sie ist unsympathisch und egoistisch (Egoismus: das Oberthema der Veranstaltung), aber wenigstens lebensvoll. Peer Oscar Musinowski als friedliches Windei strotzt ebenfalls von Leben, Klaus Rodewald als armer Onkel würde zumindest gerne vor Leben strotzen. Enorm Saschas Mutter, Marietta Meguid, als Schreckgespenst an Kälte und Geschäftstüchtigkeit."

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DIE ZEIT
Peter Kümmel, 21. Nov 19
"Der junge englische Regisseur Robert Icke hat Tschechows Tragödie eines Mannes inszeniert, der in der Mitte seines Lebens von allem Mut, aller Liebenswürdigkeit, seinem Willen und seiner Hoffnung verlassen wird; dieses Stück ist die Geschichte einer Verlandung, einer rätselhaften Verdörrung: als beschlösse ein Fluss, das Fließen einzustellen."
Mannheimer Morgen
Monika Köhler, 20. Nov 19
"Benjamin Grüter spielt diesen Nikolas grandios, als in sich versunkenen Grübler, innerlich Zerrissenen, als Zweifler und Selbstbeschuldiger, der von seiner todkranken Frau Anna nicht weg und zu seiner jungen Geliebten Sascha nicht hin kann."

"Sinnbild für Schwermut und emotionale Fessel ist das Wasser, mit dem Hildegard Bechtler die Bühne geflutet hat und das als Träger der Emotionen elementarer Teil der Inszenierung ist. …Der Wassergraben ist trennendes und verbindendes Element zugleich. Er hemmt die Bewegungen, macht das Handeln zäh und hindert daran, den eigenen Ideen zu folgen. Jene, denen das gelingt, springen leichtfüßig über einen Steg in die andere Welt, die anderen verharren wie Gestrandete ohne Aussicht auf Veränderung."

"Icke enthüllt subtil das Tragikomische in Tschechows Drama, ohne es dem Kitsch preiszugeben. Und er zeichnet dabei echte Typen, die sich wie üblich langweilen und sich selbst verwalten."

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Kultura extra
Thomas Rothschild, 18. Nov 19
"Das Ergebnis freilich ist geeignet, auch Skeptiker zu überzeugen. Denn Icke gelingt es, bei aller Entfernung von den Versionen des gedruckten Textes beziehungsweise von deren deutschen Übersetzungen und bei aller Übertragung in ein undefinierbares Heute die typische ambivalente Stimmung von Tschechows erster und vielleicht düsterster Komödie zu bewahren. Das gelingt ihm in erster Linie durch ein ausgeprägtes Gespür für ein fast schon vergessenes Element des Theaters, für Timing und Rhythmus. Virtuos spielt Icke mit langen Pausen und mit Stille. Sie sind für die "Melodie" der Inszenierung nicht weniger wichtig als die vom Ensemble differenziert gesprochenen Dialoge."

"Es ist ein bemerkenswerter Theaterabend geworden, ein Schauspielerfest – hervorgehoben sei Michael Stiller … –, und eine ziemlich genaue, weil nicht übertreibende und auf psychologische Erklärungen verzichtende Studie eines depressiven Charakters."

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Südkurier
Johannes Bruggaier, 19. Nov 19
"Je konsequenter Hoffmann seinen moralischen Ansprüchen zu genügen versucht, desto verdächtiger erscheint er seiner Umgebung. Es ist dieser Widerspruch, aus dem Robert Icke mit seiner geradezu dreist poppigen Entschlackung des romantischen Duktus komödiantische Momente gewinnt. Wie sich die moralische Selbstgewissheit des gutmenschelnden Arztes nach und nach als blanke Eifersucht entpuppt, wie Sascha mit ihrer Schwärmerei die Eltern provoziert, und wie Peter versucht, seinen Freund mit naiver Küchenpsychologie wieder in die Spur zu bringen: Das alles ist von einer bittersüßen, erhellenden Komik. Sprachpuristen mögen ob der schnoddrig heutigen Dialoge die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Wer die Sache entspannter sieht, erfreut sich an einer schlüssigen Deutung dieses Klassikers mit einem wunderbar pointensicheren Michael Stiller in der Rolle des unbeholfenen Beobachters, einer jugendlich selbstbewussten Nina Siewert als Sascha und einer glaubhaft leidenden Paula Skorupa als Anna."

"Am Beispiel des modernen Iwanow namens Hoffmann zeigt sich nicht nur die Depression eines Einzelnen, sondern einer ganzen Gesellschaft. Die einen verstecken sie hinter Moral, die anderen hinter ihrem Geld. Gemeinsam ist ihnen allen die Unsicherheit, die Einsamkeit und die Angst vor der großen Aufgabe, ein selbstbestimmtes Leben führen zu müssen."

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Rhein-Neckar-Zeitung
Heribert Vogt, 20. Nov 19
"Und was lehrt der top gespielte, gut zweistündige Theaterabend … unter dem Strich: dass das Nichts nicht nichts ist, dass abgehängte Menschen nicht nur abgehängt sind, sondern dass in ihnen etwas geschieht. Wenn nichts bleibt, bleibt vielleicht nur noch Gewalt, die sich gegen die eigene Person oder andere Bahn brechen kann. Vor allem Letzteres erleben wir leider fast jeden Tag. – Begeisterter Beifall."
Theater heute
Verena Großkreutz, Jan 2020
"Michael Stiller […] gelingt eine Glanzleistung: Sein Peter Lehmann steht stets unter dem Stress, es allen recht machen zu wollen, was sein Hin-und-her-Gewusel genauso offenbart wie sein rhythmisch in die Luft stechender, zitternder Zeigefinger. Am Ende zieht er sich stets unterwürfig zurück, und wenn er mal brüllend aus der Haut fährt, dann bekommt er gleich einen Schwächeanfall. Brillant ist auch Felix Strobels Verkörperung des jungen, oft nach Worten ringenden, in Anna schwer verliebten Arztes. Ebenso trägt Klaus Rodewalds heulsusiger, phlegmatischer Iwanow-Onkel noch viel Rest-Tschechow in der Seele."
Stuttgarter Zeitung
Nicole Golombek, 19. Nov 19
"Das Ensemble hat eine hervorragende Kondition. Tschechows Welt ist bevölkert von skurrilen Figuren. Mit herrlich schneidendem Tonfall, blasierter Miene und schick toupiertem Haar gibt Marietta Meguid Sinaida die reiche und geldgierige Gattin von Peter Lehmann. Michael Stiller spielt aufs Amüsanteste den unterjochten Ehemann, der einen roten Kopf zu bekommen meint, wenn er Nikolas daran erinnern soll, seine Zinsschulden zu bezahlen."
Südwest Presse
Wilhelm Triebold, 19. Nov 19
"Robert Ickes "Iwanow" verlegt die Vorlage von Tschechow in Stuttgart konsequent ins Hier und Jetzt."

"Zwischen den vier Akten … zeigt sich im Hintergrund eine raffinierte Video-Draufsicht aufs Geschehen. Man sieht, wie sich mit einer durchweg starken Ensembleleistung die Szenerie ins Schlachtfeld verwandelt. Jedes Mal schaut die Hauptperson gen Himmel, als sei dort die Lösung, die Erlösung. Es geht auch diesmal nicht gut aus, für ihn schon gar nicht. Abgesehen vom anerkennenden Premierenapplaus am Schluss."

Badische Zeitung
Christian Gampert, 20. Nov 19
"Benjamin Grüter spielt Iwanow als ziellosen, vom Leben überforderten Intellektuellen, erotisch bedürftig, voller Selbstverachtung. Die wie immer großartige Paula Skorupa gibt Anna, die kranke Ehefrau, als enttäuschte Liebende, die langsam in sich zusammensinkt. Nina Siewert als kecke Sascha tändelt, verführt und will was vom Leben, hat aber Iwanows Problem sehr gut verstanden."
Online Merker
Alexander Walther, 15. Dez 19
"Benjamin Grüter als Nikolas und Paula Skorupa als Anna arbeiten die Probleme dieses ungleichen Paares immer wieder packend heraus. … Anstatt seiner Frau Anna beizustehen, flieht [Nikolas] ihre Gesellschaft und verbringt die Abende oft bei den Nachbarn, wo sich die von Nina Siewert überzeugend dargestellte Sascha heftig in ihn verliebt. Diese Szenen gehören überhaupt zu den besten dieser Aufführung."

"Für die Darsteller gab es starken Schlussapplaus und "Bravos"."

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"IWANOW" Trailer