Die Rache ist mein
Kammertheater
Dauer – ca. 1:45 Std., keine Pause
Uraufführung
Sa – 11. Mär 23
Sa – 11. Mär 23
In Maître Susanes Anwaltskanzlei in Bordeaux taucht ein Mann mit einem ungewöhnlichen Anliegen auf: Er bittet sie, die Verteidigung seiner Frau zu übernehmen, die die drei gemeinsamen Kinder umgebracht hat. Noch beunruhigender als die scheinbar fehlenden Motive der Mutter ist jedoch die frappierende Teilnahmslosigkeit des Vaters. Die Anwältin sieht sich auf einmal mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. In ihrem Klienten glaubt sie den Jungen aus reicher Familie zu erkennen, der ihrem Leben eine unerwartete Wendung gab.
Eine alles erfassende Unsicherheit schleicht sich in Maître Susanes Leben. Was ist Wirklichkeit, was ist Täuschung? Auch das Verhältnis zu Sharon, ihrer illegal eingewanderten Haushaltshilfe aus Mauritius, gestaltet sich zunehmend schwierig. Ein fein gesponnenes Netz aus Abhängigkeiten bindet die Akteure aneinander, nach und nach lösen sich die Umrisse einer vertrauten Realität auf.
Drei Frauen im Gefängnis ihres Lebens: eine Mörderin, die an der Einsamkeit eines ereignislosen Vorstadtlebens zerbrochen ist, eine Einwanderin ohne Papiere im Dienste der französischen Mittelschicht und eine stets funktionierende Anwältin, die ihre latenten Minderwertigkeitsgefühle unter einer zunehmenden Kälte zu verbergen versucht.
Marie NDiaye entwirft ein raffiniertes Spiel mit unseren Erwartungen und Ängsten, eine Bestandsaufnahme moderner Lebenswelten, in der die soziale Herkunft das Leben stärker bestimmt, als wir uns eingestehen möchten. Die Rache ist mein seziert die französische Gesellschaft zwischen bürgerlicher Gefühlskälte, der Scham der Aufsteiger:innen und den Verwerfungen der kolonialen Geschichte.
Eine alles erfassende Unsicherheit schleicht sich in Maître Susanes Leben. Was ist Wirklichkeit, was ist Täuschung? Auch das Verhältnis zu Sharon, ihrer illegal eingewanderten Haushaltshilfe aus Mauritius, gestaltet sich zunehmend schwierig. Ein fein gesponnenes Netz aus Abhängigkeiten bindet die Akteure aneinander, nach und nach lösen sich die Umrisse einer vertrauten Realität auf.
Drei Frauen im Gefängnis ihres Lebens: eine Mörderin, die an der Einsamkeit eines ereignislosen Vorstadtlebens zerbrochen ist, eine Einwanderin ohne Papiere im Dienste der französischen Mittelschicht und eine stets funktionierende Anwältin, die ihre latenten Minderwertigkeitsgefühle unter einer zunehmenden Kälte zu verbergen versucht.
Marie NDiaye entwirft ein raffiniertes Spiel mit unseren Erwartungen und Ängsten, eine Bestandsaufnahme moderner Lebenswelten, in der die soziale Herkunft das Leben stärker bestimmt, als wir uns eingestehen möchten. Die Rache ist mein seziert die französische Gesellschaft zwischen bürgerlicher Gefühlskälte, der Scham der Aufsteiger:innen und den Verwerfungen der kolonialen Geschichte.
Inszenierung
Bühne
Kostüm
Musik
Licht
Dramaturgie
[…] Das, was die Autorin da entfaltet, ließe sich auch als raffinierter Schauerroman bezeichnen. Denn der Mandant, der in der Anwältin offenbar frühe Tabus und Phantasien wieder aufwühlt, braucht ihren Rechtsbeistand, weil seine Frau Marlyne Principaux die drei gemeinsamen Kinder ertränkt hat – eine Medea-Wiedergängerin, die das Ganze noch mit einer Prise archaischer Tragik auflädt. […]
Die auf knapp zwei Stunden eingedampfte Theaterfassung, die den Romantext auf vier Schauspielende verteilt, kann dies alles auf der Bühne nur punktuell anreißen. […] Doch andererseits trifft Annalisa Enghebens Inszenierung, als permanente Suche nach Halt in diesem unsicher schwebenden Sozialdschungel, den ständig zweifelnden, fragenden Tonfall des Romans atmosphärisch sehr genau. Auch in Enghebens Regie sprechen die Personen fast nie in direkter Rede miteinander. Stattdessen dominieren wie im Roman Projektionen, Vermutungen, Phantasien – im Grunde Monologe: Auch das ist ein vielsagender Befund des Romans, der in Stuttgart als soziale Pathologiestudie lesbar wird. Obwohl durch die Vagheiten des Textes auch erinnerte Fragmente von Gewalt, Missbrauch, Mord und Vernichtung geistern, macht Engheben nie den Fehler, um der Dramatik willen, die Schwebe dieses Netzes an gegenseitigen Mutmaßungen zugunsten scheinbarer Eindeutigkeiten aufzugeben.
[…] Intensität vermitteln die differenzierten, klischeefernen Selbstreflexionen des Paares Principaux, sowohl von Peer Oscar Musinowskis Gilles wie auch von Celina Rongens Marlyne, deren zwanghaftes Beziehungsglück zerbröselt. So gerät Rongens Marlyne beim Vergegenwärtigen ihrer Mordtat – das älteste Kind heißt, wie Medeas fremdgehender Gatte, Jason – in ein existenzielles, den ganzen Körper ergreifendes Zittern. […] Vielsagend […] setzt die Regie einen endlos langen roten Schal ein, der, je nachdem, als Blutspur des Kolonialismus, als erstickende Bürde, aber auch als solidarisch verbindendes Band zwischen den drei Frauen und als Ariadnefaden im Irrgarten der Ungewissheiten deutbar wird. […]
Zur vollständigen Kritik
[…] Das sind starke Szenen, wenn Rongens frustrierte Ehefrau davon träumt, wie ihr Mann mit den Kindern einen Autounfall hat und sie endlich frei wäre. Und Musinowskis Gilles diese Frau, die er für gewöhnlich hielt, nach der Tat als düstere Heldin mehr als zuvor liebt. […]
Die Szenen, in denen Gilles und Marlyne Principaux zur Sprache kommen, sind die darstellerisch zentralen Momente der Inszenierung: Peer Oscar Musinowski gibt Principaux eine offene, einnehmende, aber zugleich wendige Körpersprache, zeigt ihn aufrichtig besorgt um das Wohl der Frau, die seine Kinder tötete. Als er aber aufblickt zu ihr, huscht doch ein kleines, schräges Lachen über sein Gesicht. Celina Rongen indes spielt die Marlyne zerrissen: Sie ist ganz die Mütterlichkeit, voller Zuneigung für ihre Kinder und doch auch ihre Mörderin. […] als Marlyne ist sie ein gespaltenes Wesen, kann sich aus der besitzergreifenden Liebe ihres Mannes nur befreien, indem sie ihr Liebstes zerstört, und ist sich dessen bitter bewusst. Sie verschließt die Augen nicht vor ihrer Tat.
„Die Rache ist mein“ ist kein einfaches Stück, obschon Annalisa Engheben Marie NDiayes fast schon kryptischen Roman gekonnt auf seinen Kern reduziert hat. Die Gewissheiten gibt es nicht, die Gesellschaft ist ein Mobile, die Wahrheit ein Vexierspiel, und überall stehen die Fragezeichen.
Zur vollständigen Kritik
[…] Es gab begeisterten Schlussbeifall für das gesamte Team.
Zur vollständigen Kritik