Orestie

nach Aischylos in einer Neubearbeitung von Robert Icke
Deutsch von Ulrike Syha
Schauspielhaus
Dauer – ca. 3:45 Std, 2 Pausen
Derzeit nicht im Spielplan
Am Anfang war alles gut. Eine scheinbar intakte Familie: die Eltern Agamemnon und Klytämnestra, ihre Kinder Orest, Elektra und Iphigenie. Der Tisch, an dem sich die Familie zum Essen versammelt, symbolisiert Zusammenhalt und schon sehr bald Zerfall. Ein Fluch lastet auf dieser Familie, eine Ahnung, dass der Krieg, der draußen zu Ende gegangen ist, im Inneren weiter tobt. Das Morden wird weitergehen: Klytämnestra, die Agamemnon mit Ägisth betrogen hat, wird ihren Mann erschlagen. Angetrieben von seiner Schwester Elektra, wird Orest den Vater rächen und seine Mutter und ihren Geliebten töten. Erst mit dem Eingreifen der Göttin Pallas Athene findet die heillose Gewalt ein Ende.
In der Tragödientrilogie von Aischylos sind die Figuren Getriebene und ihrem Schicksal ausgeliefert. Sie töten und morden. Denn sie handeln nach dem Gesetz der Blutrache, dem sie unterworfen sind, und auf Befehl der Götter, die sie beherrschen. Sie stellen weder das Gesetz noch sich selbst infrage. Es wird sein, wie es immer war. Erst im letzten Teil werden die Prinzipien einer Gesellschaft, die etwas auf sich hält, haltlos: Der Muttermörder Orest wird freigesprochen.
Robert Ickes Bearbeitung setzt genau hier an. In einer Gerichtsverhandlung werden die Protagonist*innen zu dem Geschehen befragt und müssen sich zu ihren Taten verhalten. Gleichzeitig erleben sie ihre Geschichte noch einmal und müssen sich fragen: Wer sind sie, woher kommen sie? Und schließlich: Warum sind sie so geworden, wie sie sind?
Aischylos verfasste die Orestie 458 v. Chr. Sie ist die einzige erhaltene Tragödientrilogie des antiken griechischen Theaters und zählt zu den bedeutendsten Dramen der Weltliteratur. Aischylos erlebte den Untergang der Tyrannei und die Entstehung der frühen Demokratie in Griechenland – die Orestie ist das Zeugnis dieses zivilisatorischen Bruchs.

Die Vorstellung dauert insgesamt ca. 3:45, inklusive zwei Pausen. 1. Akt: ca. 1 h 10 min / Pause: 15 min / 2. Akt: ca. 50 min / Pause: 20 min / 3. und 4. Akt: ca. 1 h 10 min

Premiere: Sa – 17. Nov 18
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Co-Inszenierung
Anthony Almeida
Video
Tim Reid
Licht
Natasha Chivers, Tim Deiling
Dramaturgie

HÖRMAL - Sylvana Krappatsch über Robert Ickes "ORESTIE"

Audio-Einführung mit Michael Stiller

Pressestimmen

Spiegel Online
Wolfgang Höbel, 18. Nov 18
"Der junge britische Regisseur Robert Icke ist mit einer Wohnzimmer-"Orestie" die Entdeckung beim Premieren-wochenende…"

"Tatsächlich gelingt dem Regisseur Icke ... kluge, temporeiche, höchst unterhaltsame Theaterkunst. Seine Arbeitsmethode erinnert an die Stück-Übermalungen des fast gleichaltrigen australischstämmigen Regisseurs Simon Stone."

Zur vollständigen Kritik
DIE ZEIT
Peter Kümmel, 22. Nov 18
"Der Autor Robert Icke hat die Trilogie des Aischylos so bearbeitet, dass moderne Medienwelt einerseits und antiker Götterglaube andererseits einander nicht ausschließen. Sie wirken nun, als entstammten sie derselben Verzweiflung."

"Diese "Orestie" ist also Kolportage, aber sie verdankt sich echter Neugier. Der Autor will wissen, wie die Vergangenheit war, zu deren Überlebenden er zählt. Das Stück hat eine unheimliche Wirkung: als sähen Vergangenheit und Gegenwart einander an – auf misstrauischer Augenhöhe. Und es ist fraglich, wer sich mehr fürchtet vor dem, was er sieht."

Zur vollständigen Kritik
Theater heute
Kristin Becker, Jan 19
"In kammerspielartiger Dichte umkreisen die Figuren sich und ihr Schicksal, Szenen und Leid fließen ineinander. Icke hat den Text heutig gemacht, seine Atriden sind Familienmenschen und Suchende. … Matthias Lejas Agamemnon und Sylvana Krappatschs Klytämnestra ringen eindrucksvoll um die Deutungshoheit. Zwischen Unterkühlung und Pulverfass wirken ihre Figuren wie einer der starken skandinavischen Polit- und Thrillerserien entsprungen, der Chor ist gestrichen. Aischylos‘ monumentales Epos wird zu einem Ehedrama – aber auf höchstem Niveau."
New York Times
A.J. Goldmann, 14. Mär 19
"… ein langer, aber fesselnder Abend …. Trotz der Verortung in der Gegenwart bleibt Robert Ickes Version Aischylos treu."

"Diese Version [der "Orestie"] rückt die Figur der Klytämnestra ins Zentrum, die trauernde Königin, die sich an Agamemnon rächen wird, nur um später von ihrem eigenen Sohn ermordet zu werden. Dass der Fokus auf ihr bleibt, ist der Verdienst der Schauspielerin Sylvana Krappatsch, deren mutige Darstellung gewaltig, schmerzerfüllt und sexuell aufgeladen ist. Als strenger und gleichzeitig ungewöhnlich sympathischer Agamemnon ist Matthias Leja ihr ebenbürtiger Partner (und späterer Gegenspieler)."

"Robert Ickes akribische Regie ist voller irritierender, oft gruselig-abgedrehter Momente, etwa wenn die geisterhaft umherwandelnde Iphigenie eine maximal verstörende Version des Beach Boys Songs "God Only Knows" singt und dabei einen Stofftierhasen fest umklammert hält. Zudem setzt Icke immer wieder auf filmische Mittel, die in spannungsgeladenen Momenten an David Lynch denken lassen: so verwandeln sich beispielsweise Milchglasscheiben von einem Augenblick auf den anderen in transparente Trennwände, begleitet von hellen Lichtblitzen und knallenden Geräuschen."

Zur vollständigen Kritik
Die deutsche Bühne
Detlev Baur, 17. Nov 18
"Der Anfang ist furios; mit großer Genauigkeit im Timing und mit einem intensiv spielenden Ensemble zeigt der englische Regisseur Robert Icke … die drastische Tragik im Hause der Atriden."

"Sprachlich ist die Textfassung (in der Übersetzung von Ulrike Syha) gut gelungen. Damit ist die Vorgeschichte der "Orestie" nicht nur erzählt, sondern unglaublich atmosphärisch gezeigt."

"Paula Skorupa erledigt die eher undankbare Aufgabe Filmerin, Gerichtsdienerin und Pausenansagerin und somit eine Art Chorersatz zu sein, mit Bravour, indem sie eine bedeutungsvolle Ruhe in ihr Spiel legt."

Zur vollständigen Kritik
Süddeutsche Zeitung
Adrienne Braun, 20. Nov 18
"Icke gelingt es, die Weisung der Götter glaubhaft in die Gegenwart zu überführen. Bei ihm muss sich Orest (Peer Oscar Musinowski) vor Gericht für den Muttermord verantworten, doch er legt dar, dass es keine Wahrheit gibt, sondern "unterschiedliche Brillen, mit denen wir zur selben Zeit auf dasselbe blicken." Der Vernunft, so Ickes Fazit, ist letztlich so wenig zu trauen wie dem Glauben. Ein vielschichtiges, anregendes Konzept."
Zur vollständigen Kritik
Südwest Presse
Otto Paul Burkhardt, 19. Nov 18
"Eine komplett modernisierte "Orestie", umgemodelt und verlegt in ein zeitloses Hier und Jetzt von dem britischen Regisseur und Autor Robert Icke. … Gute vier Stunden dauert die Mord- und Totschlag-Tragödie, doch die vergehen wie im Flug. Modernisiert heißt nicht plump aktualisiert, und so ist Agamemnon bei Matthias Leja ein austauschbarer Politikdarsteller, der gerne mit Familie posiert und Phrasen über einen notwendigen Krieg gegen einen bedrohlichen Feind ins Mikro quasselt. … Das alles wirkt so, als könne es immer geschehen, überall. Icke, der den antiken Chor durch fragende Journalisten ersetzt, packt viel Zeit- und Medienkritik in seine "Orestie"."

"Großartige Schauspieler, neben Leja vor allem Sylvana Krappatsch und die 91-jährige Elke Twiesselmann, verstärken den Sog dieser "Überschreibung". Fazit: spannend gemachtes Regietheater, kein bisschen texttreu und dennoch im Geist des Originals."

Zur vollständigen Kritik
Südkurier
Johannes Bruggaier, 21. Nov 18
"Es ist ein fast vier Stunden währender Krimi, den Robert Icke erzählt: logisch schlüssig, ästhetisch packend, in seiner Brutalität schockierend. Als die kleine Iphigenie den Giftcocktail trinkt, wird im Publikum entsetztes Stöhnen laut, manche verlassen türenschlagend den Raum. Für schwache Nerven ist das nichts. Aber großes Theater."
Zur vollständigen Kritik
Neue Zürcher Zeitung
Bernd Noack, 21. ov 18
"Der junge britische Regie-Shootingstar Robert Icke zeigt eine "Orestie" in modernem Gewand und nach alter Destruktionsart … . So eine Geschichte um Krieg und trautes Heim spielt sich längst medienwirksam ab, und der Regisseur schafft es dazu, dem uralten Stoff eine zeitlose Dringlichkeit abzugewinnen, ohne gross weiter an Aktualitätsschrauben drehen zu müssen."
Zur vollständigen Kritik
Schwäbische Zeitung
Barbara Miller, 18. Nov 18
"Die Darstellerinnen und Darsteller sind allesamt überzeugend. Besonders erfreulich, dass Sylvana Krappatsch, lange Jahre eine feste Größe in den Ensembles von Dieter Dorn an den Kammerspielen und am Resi in München, nun in Stuttgart engagiert ist. Der Schrei ihrer verzweifelten Klytaimnestra – großartig."
Zur vollständigen Kritik
Eßlinger Zeitung
Martin Mezger, 18. Nov 18
"Angespannt, maskenhaft, fassungslos oder gefasst schneidet Leja die stärksten Mienen ins Gesicht zwischen Macht und Depression: ein herausragendes Schau-Spiel (ebenso die großartige Elke Twiesselmann als markig-steinalte Amme und archaische Furie)."
zur vollständigen Kritik
Ludwigsburger Kreiszeitung
Arnim Bauer, 19. Nov 18
"Dieser erste, prologhaft vorangestellte Teil ist der emotionalste und für den Zuschauer attraktivste, zumal Matthias Leja als Agamemnon und Sylvana Krappatsch als Klytämnestra hier zu darstellerischer Hochform auflaufen. Auch im weiteren Verlauf sind sie schauspielerische Stützen des Abends."
KULTURA-EXTRA
Ansgar Skoda, 21. Nov 18
"Das Ensemble überzeugt durch intensives, temporeiches und detailgenaues Spiel an diesem aufwendigen Theaterabend, der die 2.500 Jahre alte griechische Atridensage mit seiner drastischen und grausamen Tragik in die Jetztzeit holt."

"Insbesondere Sylvana Krappatsch … verleiht als Mutter und strategische Denkerin der Vorführung mit facettenreichem Spiel Spannung und lebendige Dynamik. Im Grunde überzeugen alle Akteure mit ihren Figuren. Es gibt einige erschütternde und gefühlvolle Momente – etwa eine berührende Versöhnungsszene zwischen Orest und seiner Mutter, die er dann aber doch kurze Zeit später ermordet."

"Insgesamt ist "Orestie" … ein gelungener Theaterabend von enormer Intensität und Dichte. Komplexe, zeitlos gültige Bedeutungsebenen der Familie – für den Einzelnen als auch die Gesellschaft – werden dem Publikum pointiert und lebendig dargeboten."

Zur vollständigen Kritik
dizekultur.de
Dietholf Zerweck, 19. Nov 18
"Was vom antiken Chor bei Aischylos nur als Vorgeschichte reportiert wird, erhält hier in Matthias Lejas faszinierender Darstellung das Gewicht eines Psychodramas, welches alle folgenden Handlungen dominiert…."
Zur vollständigen Kritik
Taz-Blog "Stil-Bruch"
Mesut Bayraktar, 11. Dez 18
"… ein Meilenstein mit Lehren über Gewalt, das Irrationale, Welterfahrung, die Leistungsfähigkeit der Tragödie und schließlich üb den Schredder der Postmoderne."

"Neben der herausragenden Symbiose von Sinnlichkeit und Mutterernst, wie sie Sylvana Krappatsch in Klytämnestra zur Mimesis bringt, fällt Matthias Leja mit seinem brillanten Schauspiel des Agamemnon auf. In Stimme und Gestus, in Präsenz und Physiognomie sieht man die Verkörperung des autoritären Charakters, wie ihn Wilhelm Reich, Theodor W. Adorno und Erich Fromm beschrieben haben. Aus seinen Schritten hallt das Echo der Macht. Gerade im Kontrast seines öffentlichen Auftritts vor Journalisten zu den darauffolgenden in der privaten Familiensphäre wird augenblicklich der fundamentale Zusammenhang von autoritärer Triebunterdrückung und faschistischer Ideologie sichtbar. Aber auch der intime Bereich des Vaters, der mit sich zwischen der Prophezeiung des Weltgeistes und der Vaterliebe zu einer Tochter ringt, ist mit bedrückender Klarheit herausgearbeitet. Die Ambivalenzen, die sich daraus ergeben, waren förmlich in das Gesicht von Matthias Leja eingeschrieben…. Das war Kunst auf sehr hohem Niveau."

Zur vollständigen Kritik
Stuttgarter Zeitung
Tomo Pavlovic, 18. Nov 18
"Robert Icke konzentriert sich auf den Zerfall einer bürgerlichen Familie in Zeiten des Krieges, besonders aber auf Klytämnestra, für deren Tat er Verständnis aufbringt. Das ist trotz der Länge unterhaltsam, auch weil Sylvana Krappatsch ihre Mutterrolle facettenreich zelebriert und alles zusammenhält."
Zur vollständigen Kritik
Online Merker
Alexander Walther, 01. Dez 18
"Und das furchtbare Geschehen nimmt unaufhaltsam seinen Lauf. Das ist überaus spannend und atemlos inszeniert. … Matthias Leja zeigt sowohl als Agamemnon wie auch als Ägisth eine starke Bühnenpräsenz. Sylvana Krappatsch macht den langsamen Mord an Klytämnestra in packender und bewegender Weise deutlich. … Die sinnliche Präsenz des hochdramatischen Geschehens arbeitet Robert Icke ausgezeichnet heraus."
Zur vollständigen Kritik
"ORESTIE" Trailer

HÖRMAL - Sylvana Krappatsch über Robert Ickes "ORESTIE"
Audio-Einführung zu ORESTIE mit Michael Stiller
Einblick: Dr. Rainer Beckmann (Jurist) über die ORESTIE am Schauspiel Stuttgart